Lesefrüchte
"Über Leo Perutz" von Daniel Kehlmann
Stand: 09.11.2024, 21:05 Uhr
Schreiben entsteht durch Lesen. In seiner Hommage an den heute fast vergessenen Erzähler Leo Perutz zeigt Daniel Kehlmann, wie sich aus Lektüre das eigene Schreiben entwickeln kann. Vor allem aber macht Kehlmann neugierig auf das, was Leo Perutz geschrieben hat.
Leo Perutz (1882-1957) gehörte zu den Autoren der europäisch-jüdischen Erzähltradition und der Wiener Moderne. Obwohl geboren in Prag, zählte er zu den großen österreichischen Autoren der 1920er und 30er Jahre. Er war ein Zeitgenosse von Joseph Roth und Franz Kafka und arbeitete bei derselben Versicherungsanstalt wie sein Prager Kollege. Zum Studium ging Perutz nach Wien und schrieb seine Romane und Erzählungen in Kaffeehäusern.
Nach dem Zweiten Weltkrieg war er so gut wie vergessen. Das änderte sich erst in den 1980er Jahren, als Hans-Harald Müller seine Werke, wie z.B. "Der schwedische Reiter", "St. Petri - Schnee" oder "Zwischen neun und neun" wieder auflegen ließ. Daniel Kehlmann hat sie alle verschlungen und mehr noch: Bücher von Perutz wurden zur Vorlage seines eigenen Schreibens. Schon Kehlmanns Vater, der Theaterregisseur Michael Kehlmann, führte Stücke von Leo Perutz auf und verfilmte einen seiner Romane.
In seiner Hommage "Über Leo Perutz", erschienen in der von Volker Weidermann herausgegebenen Reihe "Bücher meines Lebens", erzählt Daniel Kehlmann, wie Perutz zum Hausautor seiner Familie wurde. Und was ihn vor allem an dessen Roman "Nachts unter der steinernen Brücke" (1953) begeisterte. Der besteht aus 13 Geschichten. Im Zentrum stehen der jüdische Geschäftsmann Mordechai Meisl und der römische, auch für Böhmen zuständige Kaiser Rudolf II., die das Judentum in Prag im 16. Jahrhundert zu seiner Blüte führten.
Kehlmann fasziniert, wie Perutz diesen historischen Stoff an seine Zeit anbindet. Seine Begeisterung für Perutz ist ansteckend. Perutz lesen!
Eine Rezension von Terry Albrecht
Literaturangaben:
Daniel Kehlmann: Über Leo Perutz
In: Bücher meines Lebens, Herausgegeben von Volker Weidermann
KiWi Verlag, 105 Seiten, 20 Euro