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Buchcover: "Der Held der See" von Yukio Mishima

Lesefrüchte

"Der Held der See" von Yukio Mishima

Stand: 06.12.2024, 09:54 Uhr

In Yukio Mishimas "Der Held der See" vergiftet verführerischer Zynismus die herrlichen romantischen Träume der Kindheit und am Ende triumphiert das Böse selbst.

Der japanische Schriftsteller Yukio Mishima war ein Mann der großen Gefühle und Gesten, ein Mann der Träume, aber auch der Tat. Weil er die zunehmende Verwestlichung Japans nach dem 2.Weltkrieg als spirituelle Katastrophe für Japan betrachtete, versuchte Mishima, das Militär zum Putsch gegen die Verfassung aufzustacheln.

Als sein Putschversuch am 25.November 1970 kläglich scheiterte, verübte Mishima rituellen Selbstmord. In Yukio Mishimas Meisterwerk "Der Held der See" prallen Träume und Realitäten ähnlich brutal aufeinander.

Seit er denken kann, hat der Blick aus dem Fenster seines Hauses über den Hafen von Yokohama hinaus aufs Meer das Denken und die Träume des 13jährigen Noboru geprägt. Dort draußen, so glaubt Noburo, könnte ein Leben zu finden sein, dass die Mühe lohnt. Dort draußen locken unerhörte Abenteuer und Freiheit, Ruhm und Ehre. Ein hartes Leben, ohne Frage, aber das schreckt Noboru nicht. Er ist stolz auf sein hartes Herz, träumt davon, einen Anker auf die linke Seite seiner Brust tätowieren zu lassen und verachtet jeden, der seine romantischen Träume nicht teilt. Und das heißt: alle Erwachsenen, Väter und Lehrer.

Als Noborus Mutter in diesem brütend heißen Sommer den Seemann Tsukazaki kennenlernt, könnte Noboru nicht glücklicher sein. Sein Vater ist seit acht Jahren tot, aber Noboru vermisst ihn nicht. Tsukazaki aber scheint aus anderem Holz geschnitzt zu sein. Er ist klein, aber von kräftiger Statur, er hat fremde Länder und alle Meere bereist. Und er hat überlebt. Anders als die Menschen an Land trägt er nicht diesen unverkennbaren Verwesungsgeruch an sich. Noboru beobachtet Tsukazaki und seine überaus elegante und schöne Mutter heimlich durch ein Loch in der Wand. Was er sieht, könnte berauschender nicht sein.

Dann aber tut der herrliche Seemann etwas Unverzeihliches: Nach einer letzten Fahrt beschließt er, Noborus Mutter zu heiraten und fortan an Land zu leben. Ein größerer Verrat ist für Noboru nicht vorstellbar. Und Noboru beschließt, dieses Böse zu verhindern und zu bestrafen. Koste es was es wolle.

In Yukio Mishimas "Der Held der See" prallen romantische Idealbilder auf die Banalität des Alltag und zerschellen. Ein Junge lernt, dass die Liebe viele Formen hat. Doch am Ende triumphiert ein leichter, verführerischer Zynismus und der Teufel schreitet grinsend und siegesgewiss über die Bühne, wie kaum sonst irgendwo in der Weltliteratur. Ein verstörendes Buch ist das und ein betörendes. Sprachlich brillant, glänzend neu übersetzt. Es gilt, einen radikalen, kompromisslosen Klassiker der Weltliteratur neu zu lesen und neu zu entdecken. Mishimas 100. Geburtstag im Januar ist ein idealer Anlass!

Eine Rezension von Uli Hufen

Literaturangaben:
Yukio Mishima: Der Held der See
Aus dem Japanischen von Ursula Gräfe
Kein&Aber, 208 Seiten, 24 Euro