Krimi-Check
"An der A26" von Pascal Garnier
Stand: 09.08.2024, 08:52 Uhr
Bernard lebt seit fünfzig Jahren mit seiner verrückten Schwester Yolande zusammen. Als der Arzt ihm ein finales Krebsstadium attestiert, beginnt er, Frauen umzubringen. Doch erst sein plötzlicher Tod setzt eine Handlung in Gang, die dem Genre "Krimi-noir" alle Ehre macht.
Wenn die Genre-Bezeichnung "Noir" je einen Sinn hatte, dann erfüllt der sich in diesem kleinen Roman wie sonst in keinem. Allein schon der Handlungsort, das Innere eins völlig heruntergekommenen Hauses in der trostlosen nordfranzösischen Provinz, ist ein Ort der Düsternis schlechthin. Yolande, seine Bewohnerin, hat es vollständig verrammelt und blickt nur selten durch ein winziges Loch in einer Fensterlade nach draußen. Sie nennt es das "Loch zum Arsch der Welt". Yolande ist verrückt, seit der Kneipenwirt André ihr als siebzehnjähriger vor fünfzig Jahren die Haare rasierte: Sie hatte was mit einem deutschen Soldaten gehabt.
Mit Yolande zusammen in dem völlig vermüllten Haus lebt neben einer wachsenden Schar Ratten ihr Bruder Bernard. Er arbeitet bei der Eisenbahn und hat, seitdem sie verrückt wurde, sein Leben an das seiner älteren Schwester gekettet und auf ein eigenes verzichtet. An Jaqueline, die Frau des jetzigen Kneipenwirts bindet ihn bloß die gemeinsame Erinnerung an eine Jugendliebelei. Ansonsten lebt er im sexuellen Notstand. Nachdem der Arzt ihm ein finales Krebsstadium diagnostizierte, liegt es deshalb für ihn irgendwie nahe, bei zufälligen Begegnungen zwei Frauen zu vergewaltigen und ihre Leichen in der Baustelle der gerade entstehenden Autobahn zu entsorgen.
Morde, auch so beiläufig erzählte wie diese, gehören nun einmal zum Krimi-Label. Zwingend notwendig für die Dramaturgie von Pascal Garniers abgründig düsterem Roman sind sie nicht. Denn in dessen atemberaubend absurdem Showdown vollendet sich eine so raffiniert und äußerst dicht konstruierte Rache-Geschichte, dass es dem Leser dabei ohnehin schon kalt den Rücken hinunterläuft.
Eine Rezension von Peter Meisenberg
Literaturangaben:
Pascal Garnier: An der A26
Aus dem Französischen von Felix Meyer
Septime Verlag, 117 Seiten, 19 Euro