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Buchcover: "Nochmal von vorne" von Dana von Suffrin

Buch der Woche

"Nochmal von vorne" von Dana von Suffrin

Stand: 24.05.2024, 13:47 Uhr

Die Familie Jeruscher lebt in München.Streit kommt in den besten Familien vor, aber bei den Jeruschers ist es Alltag, Versöhnung so gut wie ausgeschlossen.

"Sie sammelten nur in den kurzen Pausen, in denen sie nicht stritten oder schimpften, Kraft, um wieder übereinander herzufallen." Warum will man das lesen? Weil man trotz dieser leicht verstörenden Geschichte schon nach den ersten drei Seiten lachen muss, aber zögert, sich nicht sicher ist, ob Lachen erlaubt ist.

Mit solchen Überlegungen darf man sich nicht lange aufhalten. Man kann nicht anders, lacht, weil die Autorin mit so viel leisem Sarkasmus schreibt. Das ist stiller, schwarzer Humor, der fast unbemerkt daherkommt, und wenn man ihn bemerkt, ist er schon um die Ecke verschwunden, um sich erneut anzuschleichen.

Dana von Suffrin erzählt in "Nochmal von vorne" aus dem Leben einer Familie, in der zu jeder Zeit alles in Schräglage ist. Die Jeruschers, verortet zwischen zwei Kulturen. Der jüdische Vater, in Israel geboren, kommt nach München, um dort zu arbeiten. Fällt vor einem Straßencafé über ein ausgestrecktes Frauenbein. Die Frau, zu der das Bein gehört, ist hübsch und katholisch.

Sie heiraten, bekommen zwei Töchter. Die Ehe entpuppt sich als großes Missverständnis. All die Streitereien, die die Eltern miteinander austragen, haben großes Pointen-Potenzial, was die Autorin perfekt einsetzt. Eben gerade böse genug, dass man schon wieder grinsen muss.

Überhaupt zieht sie den Leser raffiniert in eine abenteuerliche Familiengeschichte hinein, in der sie selten einen Punkt macht, aber gerade diese Bandwurmsätze haben ein gutes Tempo, reihen sich mühelos und fast schon beschwingt aneinander, weshalb man mit wachsender Begeisterung und Spannung weiterliest, bis man feststellt, dass die streitsüchtigen Eltern nur den einen Teil der Geschichte bestimmen, der andere aber von den ungleichen Töchtern getragen wird, was durchaus Absicht der Autorin war, denn, sagt sie in einem Interview:

"Geschwister wissen alles über dich. Du kannst dich als Person nochmal neu erfinden. Aber deine Geschwister wissen, wer du wirklich bist. Und das gibt ihnen die Möglichkeit, dich völlig zu blamieren."

Dem kann ich zustimmen. Ich habe zwei. Die Autorin übrigens auch.

Eine Rezension von Christine Westermann

Literaturangaben:
Dana von Suffrin: Nochmal von vorne
Kiepenheuer und Witsch, 2024
240 Seiten, 23 Euro