Buch der Woche
"Als wir Schwäne waren" von Behzad Karim Khani
Stand: 22.08.2024, 17:44 Uhr
In seinem erfolgreichen Debüt "Hund Wolf Schakal" geht es um das harte Leben auf der Straße als Kleingangster in Berlin. "Als wir Schwäne waren" klingt im Titel schon sanfter und hat neben einem anderen Schauplatz, Bochum, auch einen anderen Ton.
Es ist eine der großen Stärken von Literatur, dass sie Grenzen überwinden kann. Im Fall von Behzad Karim Khani sind es vor allem Milieugrenzen. Der gebürtige Iraner ist in einem tristen von Gewalt, Armut und Kriminalität geprägten Bochumer Stadtteil aufgewachsen. Schließlich hat es ihn nach Berlin verschlagen. Wegen Drogendelikten und Körperverletzung wurde er zu fünfeinhalb Jahren auf Bewährung verurteilt. Später war er Barbesitzer der Lugosi Bar in Neukölln und schließlich professioneller Autor. Über all das schreibt er.
Es geht in "Als wir Schwäne waren" ebenso um das Aufwachsen unter Armut und Chancenlosigkeit wie in "Hund Wolf Schakal". Der Ich-Erzähler Reza schreibt seine Erinnerungen an seine Jugend in einem prekären Bochumer Stadtteil auf, um seinen kleinen Sohn daran zu erinnern, dass es immer einen Weg gibt, auszubrechen. Neben der Härte von Gewalt und Drogendeals ist hier auch eine teils liebvolle Milieuschilderung zu spüren.
Das Ganze wird in drei Teilen mehr oder weniger streng chronologisch in kurzen Episoden erzählt. Mehr als einmal gerät der Erzähler dabei ins Philosophieren und bietet interessante Denkanstöße in Hinsicht auf Rassismus in Deutschland und das Leben als Ausgegrenzter im "Aquarium", wie es im Roman heißt. Es sind Geschichten von der ersten Jugendbande, der ersten Liebe, dem Dasein als einziges Ausländerkind in einer weißen Schule. Manche enden harmlos, viele in der Katastrophe.
Wie die Personen in dem Roman reden und sich geben wirkt plausibel und authentisch. Behzad Karim Khanis Sprache ist dabei zum einen sehr präzise und bis aufs Nötigste verknappt: teils auch nur noch in unvollständigen Sätzen, schlagwortartig vorwärtsdrängend. Dabei aber immer noch von einer Freude an Klang und Poesie durchzogen.
Auf Figurenebene ist sicherlich der ebenso kluge wie verlorene Vater und sein Verhältnis zum Sohn das Spannendste. Gerade in dieser Beziehung wird der ganze Diskurs, was Heimat ist, sein kann oder sein soll, greifbar. Ist unser Erzähler einer der Schwäne, die träge im Teich in Bochum bis zu ihrem Lebensende weiterdümpeln, oder einer der Schwäne, die auf der Suche nach etwas Besserem aufbrechen, um eine neue Heimat zu finden? Ein Roman, der für das Genre der Gangstergeschichte einen wirklich eigenständigen Ton trifft und der ein erhellendes Licht von außen auf die deutsche Gesellschaft wirft, weil er von Menschen erzählt, die eigentlich dazugehören sollten, aber von vorneherein keine Chance haben.
Eine Rezension von Christoph Ohrem
Literaturangaben:
Behzad Karim Khani: Als wir Schwäne waren Hanser Berlin, 192 Seiten, 22 Euro