Ulrich Koch wurde 1966 zwischen Hamburg und Lüneburg geboren, in Winsen an der Luhe. Nicht weit davon hat er auch einige Jahre gelebt, in Radenbeck in der Nähe von Lüneburg, was insofern erwähnenswert ist, da er über die Gegend mal die schöne Sentenz formulierte: "Das Postauto sucht vormittags im Schritttempo die Verstorbenen." Heute lebt Koch in Hamburg und verdient sein Geld als Geschäftsführer einer Zeitarbeitfirma, die Arbeitskräfte für die Altenpflege organisiert.
1995 veröffentlichte Ulrich Koch seinen ersten Band mit Lyrik, "Weiß ich". Arnold Stadler hatte ihn entdeckt und an den Residenzverlag vermittelt. Seitdem hat Ulrich Koch 11 Bände mit Gedichten unters Volk gebracht, unter denen der auch an dieser Stelle gefeierte Band "Selbst in hoher Auflösung" im Februar 2018 auf Platz 2 der SWR Bestenliste landete.
Ulrich Koch schreibt Gedichte, die herausragend sind. Und das im besten Sinne des Wortes. Sie sind anders als das Gros der von deutschsprachigen Dichter:innen formulierten Lyrik-Werke, die z. T. durch extrem kryptischen Subjektivismus und Anbiederungen an gängige Trends weniger glänzen. Das liegt zum einen an der banalen Tatsache, dass Koch so schreibt, dass ihn jede und jeder Geneigte verstehen kann. Und zum anderen liegt es daran, dass Ulrich Koch einen traumwandlerisch sicheren Umgang mit Bildern und Metaphern hat, die exakt und gnadenlos regelmäßig auf den Punkt kommen. Das macht große Freude zu lesen.
Der neue Band "Letzte Hilfe Kurs" birgt Gedichte aus der Schattenwelt, der Tod und das Metaphysische sind allgegenwärtig. Ulrich Koch, dessen lyrisches Ich dauerpräsent ist, stiefelt durch unsere Welt, als wenn‘s kein Morgen mehr gibt. Alles ist morbid, freudlos, absurd, grotesk und damit eben auch des Öfteren komisch. Der Autor hat mal gesagt, „ein gutes Gedicht müsse auf unwiderstehlich sanfte Art und Weise traurig machen“. Diese Melancholie zieht sich denn auch durch all seine Gedichte ohne sich in Schwermut zu verwandeln. Es ist so eine Art fröhlich-lakonische Melancholie, die Kochs Gedichte umweht, was schlicht und einfach daran liegt, dass Ulrich Koch auch einen feinen Sinn für Humor hat.
Da werden Drohnen, gefunden "verletzt am Wegrand", nach Hause gebracht um sie wieder "aufzupäppeln" um dann festzustellen, dass die Drohne "tragend war", worauf der Drohne der Bauch aufgetrennt wird, "um zu retten, was an neuem Leben drin war: Vogelperspektiven."
Oder wenn in "Fast klassisches Wintergedicht" das lyrische Ich fragt: "Dein Gesicht kommt mir bekannt vor. / Hast du mich schon mal verlassen?" Oder es erscheint in "Wiedergeburt" eine Kontrolleurin im Nachtzug: "Worte können ihre Schönheit nicht erreichen./ Alles kniet nieder, betet und weint: / Ein uniformierter Engel, ein himmlisches Zeichen."
Ulrich Kochs Gedichte gehören mit zum Besten, was die zeitgenössische Lyrik zu bieten hat. Es sind großartige poetische Shortstories, die lyrisch vollendet sind. Formal, mit und ohne Reim und auf der Inhaltsebene.
Bisher hat der Misanthrop aus Winsen an der Luhe mäßig wenige Auszeichnungen für seine Dichtung erhalten, was sicher auch daran liegt, dass der Autor eine gewisse Skepsis gegenüber dem Literaturbetrieb hat. Das sollte sich ändern. Allerdings nicht die Skepsis gegenüber dem Literaturbetrieb, sondern, dass er so wenig öffentliche Anerkennung bekommt. Daher: Ab jetzt ALLE Literaturpreise an Ulrich Koch!
Eine Rezension von Matthias Ehlers
Literaturangaben:
Ulrich Koch: Letzte Hilfe Kurs
Jung und Jung, 176 Seiten, 24 Euro