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Gemeinsamer Westermann-Wallentin-Tipp

"Bevor wir uns vergessen" von Eliette Abécassis

Stand: 26.07.2024, 13:31 Uhr

Die erste Szene des Romans spielt in Paris, im Jardin du Luxembourg. Genau diese Szene steht wortgleich auch am Ende des Buches. Man kann gar nicht anders, als nochmal ganz nach vorn zu blättern, um erst dann zu begreifen, welch stilles Drama sich da im Park zwischen zwei alten Menschen abspielt.

Alice und Jules sind 85 Jahre alt, als er sich im Park zu ihr setzt. Mehr als sechzig Jahre davon hat das Ehepaar gemeinsam verbracht. Ganz vorsichtig, ganz sachte dreht die Autorin jetzt Seite für Seite die Uhr zurück. In Jahresschritten, manchmal vier oder fünf, hin und wieder auch nur eines. Gerade so viele, dass man allmählich und mühelos in das Leben dieser beiden Menschen hineinrutscht. Kapitel für Kapitel erlebt, wie sie jünger werden. Wie sich ihr Miteinander verändert. Wo sich die Liebe versteckt und der Hass zeigt. Warum Jules zahlreiche Affären hatte, aber nie bemerkt hat, dass Alice einen anderen liebt.

Ganz allmählich setzt sich die Lebens- aber auch Leidensgeschichte von Alice und Jules wie ein Puzzle zusammen. Begehren und Begierde, Mut und Wut, Resignation und Aufbruch, Leiden und Leidenschaft, alles was ein Leben bereithält, erzählt dieser Roman anders und neu. Schonungslos, liebevoll, erotisch, federleicht und abgründig tief.

"Vielleicht ist ein Paar, das so lange zusammenlebt, das größte Abenteuer unserer Zeit," hat ein französischer Kritiker über dieses Buch geschrieben. Wenn man es gelesen hat, und dabei vielleicht auch auf sein eigenes Leben und Lieben guckt, weiß man, wie weise und wahr dieser Satz ist.

Eine Rezension von Christine Westermann und Andreas Wallentin

Literaturangaben:
Eliette Abécassis: Bevor wir uns vergessen
Aus dem Französischen von Kirsten Gleinig
Arche Verlag, 2024
176 Seiten, 22,30 Euro