
Satellitenbilder deiner Kindheit
Stand: 06.03.2025, 15:51 Uhr
Ein Vater lebt in Altersarmut, der Sohn rekonstruiert seine Biografie: Die Turbulenzen darin weisen seltsame Zusammenhänge mit dem Aufstieg des Neoliberalismus auf. Liegen hier auch die Gründe für die Schwierigkeiten der Vater-Sohn-Beziehung?
Von Leon Engler
Das Hörspiel steht zum Download zur Verfügung.
Hörspielautor Leon Engler auf der Reise zu seinem Vater
Der Vater legt seine Autobiografie vor. Der Sohn wundert sich. Denn der Vater ist kein erfolgreicher Mann, nicht im klassischen Sinn. Er lebt in einer Einzimmerwohnung, fährt einen 30 Jahre alten Ford Fiesta und sammelt Fallobst am Straßenrand. Außerdem bricht die Autobiografie mit der Geburt des Sohnes plötzlich ab.
Diese Leerstelle, diese Gedächtnislücke wird zum Ausgangspunkt dieses Hörspiels. In der Mythologie kündigt die Geburt des Sohnes den Tod des Vaters an: Odysseus, Kronos, König Laios und Darth Vader würden es bezeugen, hätten ihre Söhne sie nicht umgebracht. Doch der Sohn will diese Auslöschung, diese Gedächtnisauslöschung, rückgängig machen. Also gräbt er die Geschichte wieder aus.
Dabei merkt er, dass er kein Einzelschicksal vor sich hat, sondern sich im Leben des Vaters die letzten Jahrzehnte spiegeln. Im Sediment der Erzählung stößt er auf einen seltsamen Zusammenhang: Je freier die Märkte, umso größer die Zwänge seines Vaters - der Zwang, einer schlecht bezahlten Arbeit nachzugehen; der Zwang, im Alter in Armut zu leben; der Zwang, immer und immer wieder seine Wohnung zu räumen. Durch deutsche Kiefernwälder und Jahrzehnte des Kapitalismus macht sich Hörspielautor Leon Engler auf die Reise zu seinem Vater.