WDR 3 Werkbetrachtung: Mieczysław Weinbergs Violinkonzert
Einflüsse aus der jüdischen Musik, klagend-lyrische Elemente aber auch aufbrausende Momente sind typisch für die Musik des polnischen Komponisten Mieczysław Weinberg. Das Violinkonzert op. 67 ist für Linus Roth eines der besten Geigenkonzerte des 20. Jahrhunderts.
Seine Musik hat etwas, das einen irgendwie immer stört, sagt Geiger Linus Roth über Mieczysław Weinberg. Man muss sich mit ihr beschäftigen, die Fragezeichen aushalten, die er mit der Partitur stellt. Und das ist alles andere als einfach. Das Violinkonzert, das Weinberg 1959 komponierte und dem Geiger Leonid Kogan widmete, ist kein Werk, das auf virtuose Effekte zielt und den Solisten in den Vordergrund rückt. Kraftvoll-derbe Themen wechseln sich ab mit balladenhaften Melodien und unerwartet introvertierten Passagen. Fast scheint es, als hätte Weinberg seine Biografie vertont.
Weinberg floh als Jude nach dem Einmarsch der Deutschen in Polen aus Warschau nach Osten, erst nach Minsk, dann weiter nach Taschkent. Seine Familie fiel dem NS-Regime zum Opfer. Schostakowitsch erkannte sein großes Talent, holte ihn nach Moskau und wurde sein enger Freund und Förderer. Doch Weinberg war in Russland Pole, in Polen Russe und für sowjetische Komponisten sowieso zu jüdisch. Sein Lebensmut, aber auch seine Zerrissenheit und Einsamkeit sind in seinem Violinkonzert hörbar.
Mieczysław Weinberg (1919–1996) war ein überaus produktiver und kreativer Komponist, der alle Genres und Stile vom Kunstlied über die Sonate, Konzerte und Oper bis hin zur Zeichentrickfilmmusik beherrschte, der gleichermaßen Requiem und Zirkusmusik schrieb. Er selbst stellte sich mit der Äußerung, ein Schüler Schostakowitschs zu sein, in den Schatten: "Obwohl ich nie bei ihm Unterricht nahm, zähle ich mich als seinen Schüler, sein Fleisch und Blut". Doch die beiden begegneten sich auf Augenhöhe und tauschten sich intensiv über ihre Kompositionen aus. Die gegenseitigen Einflüsse sind nicht zu überhören. Von Weinbergs Violinkonzert zeigte sich Schostakowitsch sehr beeindruckt und bezeichnete es als "fabelhaftes Werk".
Linus Roth hat Weinbergs Kompositionen eher durch Zufall entdeckt. Begeistert von einem Klaviertrio hat er weitergeforscht und neben Weinbergs Violinsonaten auch das Violinkonzert wiederentdeckt, das in westlichen Konzertsäle in Vergessenheit geraten war. Er hat viel daran gesetzt, das Werk auf die Bühne zu bringen und dafür eine Weinberg-Gesellschaft mit ins Leben gerufen, deren Ehrenpräsidentin Schostakowitschs Witwe Irina ist.
Zusammen mit dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin hat Linus Roth unter der Leitung von Mihkel Kütson Weinbergs Violinkonzert für das Label Challenge Classics eingespielt.
Eine Collage von Andreas Pehl
Redaktion: Eva Küllmer
CD-Tipp
Mieczysław Weinberg: Violinkonzert op.67
Linus Roth (Geige)
Deutsches Sinfonie-Orchester Berlin
Mikhel Kütson (Leitung)
Label: Challenge
Bestellnummer: CC 72627