Wohl im Sommer 1939 schreibt die damals europaweit gefeierte amerikanische Geigerin Guila Bustabo dem Komponisten Ermanno Wolf-Ferrari einen Brief. Sie hat dessen Oper "La Dama Boba" gesehen, und die "unsterbliche Melodie der Finea" will ihr nicht mehr aus dem Kopf. Ihre Zeilen sind glühend, ja begeistert. "Sie ist makellos, absolut, vollendet. Sie ist die Liebe selbst!", schwärmt Bustabo dem Komponisten vor und verbindet damit den Wunsch, Wolf-Ferrari möge ihr die Melodie für Violine einrichten. Er lehnt das Ansinnen zwar ab, dennoch entwickelt sich ein Briefwechsel zwischen beiden Künstlern.
1940 dann erwähnt der Komponist zum ersten Mal die Idee, Guila Bustabo ein Violinkonzert zu schreiben. Die Antwort der Geigerin lässt nicht lange auf sich warten: "Allora commincate. Und haben Sie keine Bedenken wegen schwieriger Passagen – Sie schreiben und wir spielen!" Als Wolf-Ferrari die Virtuosin dann in München auf der Bühne erlebt, fällt er begeistert die endgültige Entscheidung.
Guila Bustabo und Wolf-Ferrari sind beide restlos voneinander begeistert. Sie lobt sein Konzert in höchsten Tönen: "Gesegnet ist die Arbeit an jeder Note." Die geplante Uraufführung muss allerdings kurzfristig abgesagt werden: In Leipzig ist nach einem Bombenangriff sämtliches Orchestermaterial verbrannt. Am 7. Januar 1944 dann kann endlich die Uraufführung in der Münchener Tonhalle über die Bühne gehen.
Vieles deutet darauf hin, dass Wolf-Ferrari und Bustabo durch mehr verbunden gewesen sind als durch Freundschaft. Im lyrischen Hauptthema des ersten Satzes hat er ihr Wesen liebevoll eingefangen. Ein Zitat aus Franz Lehárs Operette "Die lustige Witwe" von den zwei Königskindern, die zusammen nicht kommen konnten, deutet ebenfalls auf ihre vergebliche Zuneigung hin. Immer wieder scheinen dramatische Momente im Werk auf, die für kurze Zeit Abgründe aufreißen. Das eingängige "Rondo finale" enthält eine Solokadenz, die zu den längsten in der gesamten Musikgeschichte zählt.
Als der Geiger Benjamin Schmid die Partitur von Ermanno Wolf-Ferraris Violinkonzert zum ersten Mal in Händen hielt, war er gleich Feuer und Flamme. Seiner Meinung nach enthält es alles, was sich ein Geiger nur wünschen kann.
Das Konzert von Wolf-Ferrari stelle ihn vor große Herausforderungen, meint Schmid. Hauptaufgabe sei, "ein fast zu schönes Violinkonzert nicht sentimental, sondern sensibel klingen zu lassen." In seiner Werkbetrachtung berichtet er von interpretatorischen Schlüsselmomenten und geigerisch-vertrackten Passagen. Eingespielt hat er das Konzert im Jahr 2012 mit der Oviedo Filarmonía, die von Friedrich Haider geleitet wird.
Eine Collage von Markus Bruderreck
Redaktion: Eva Küllmer
CD-Tipp
Ermanno Wolf-Ferrari: Violinkonzert
Benjamin Schmid (Violine)
Oviedo Filarmonia
Friedrich Haider (Leitung)
Label: Farao
Bestellnummer: B108069