Ernst und arbeitsam ist die Musik von Johannes Brahms. So sehr seine Melodien zu Herzen gehen – für den Komponisten selbst sind seine "Einfälle" wie Geschenke, die er sich unaufhörlich erarbeiten muss: durch Veränderung und Weiterentwicklung, durch neue Kombinationen und sogar das Rückwärtsspielen einzelner Motive. So lassen sich in der zweiten Sinfonie alle Themen auf kleinste Keimzellen zurückführen. Arnold Schönberg nennt das fünfzig Jahre später die fortschrittliche Technik der "entwickelnden Variation" bei Brahms.
Kontrabass und Horn präsentieren gleich zu Beginn der Sinfonie die entscheidenden Motive. Gleichzeitig verströmt dieser Anfang eine so friedliche und pastorale Atmosphäre, dass Brahms selbst während der Komposition 1877 scherzt: Am Wörthersee in Kärnten sei es so schön, dass die Melodien nur so herumfliegen und man sich hüten müsse, keine zu treten. Und auch die Zuhörer sind vom ersten Ton an entzückt von dieser zweiten Sinfonie in D-dur.
Kontrabass und Horn sind übrigens die beiden Instrumente, mit denen Brahms' Vater sein Geld verdient hat – in Hamburger Kaffeehäusern und Kneipen. Musiker zu sein ist im 19. Jahrhundert noch ein richtiger Handwerksberuf. Schon als Kind fängt Johannes mit Unterhaltungsmusik an. Dreißig Jahre später ist er in Wien einer der ersten Komponisten, die von den Honoraren ihrer Werke leben können. Für die zweite Sinfonie bekommt Brahms 15.000 Mark. Das wären heute umgerechnet über hunderttausend Euro.
Sinfonien zu schreiben, ist Brahms nie leichtgefallen. Über viele Jahre und Versuche erarbeitet er sich diese von Beethoven zur Blüte gebrachte Form. Er studiert die Werke der großen alten Meister, vor allem Bach und Schütz, und besinnt sich auf vergessene Kompositionstechniken, um sie mit neuem Sinn zu füllen. Das Ergebnis ist eine Musik, die allen Regeln der Kunst folgt, gleichzeitig aber nie ungestüm sein kann.
Der Geiger Adrian Bleyer und der Kontrabassist Christian Stach spielen Brahms' zweite Sinfonie seit vielen Jahren – vom Jugendorchester bis hin zur aktuellen Neuaufnahme auf CD mit dem WDR Sinfonieorchester unter Jukka-Pekka Saraste. Aus ihrer persönlichen Sicht kommentieren die beiden Musiker musikalische Zusammenhänge, Erlebnisse, Anekdoten und Assoziationen zur Musik.
In Brahms' Komposition finden sie verschiedene Ebenen: die der sehnsuchtsvollen und melancholischen Melodien und die der sehr beherrschten und konzentrierten Arbeit, die der steten Entfaltung neuer Themen und die der ständigen Auflösung gerade erreichter Schönheit und Idylle. Die Frage nach dem großen "Warum" hat Brahms offensichtlich auch in seiner zweiten Sinfonie nicht losgelassen.
Eine Collage von Antonia Ronnewinkel
Redaktion: Eva Küllmer