WDR 3 Werkbetrachtung: Sergej Rachmaninows erste Sinfonie
Niedergeschmettert irrt Sergej Rachmaninow am 15. März 1897 durch St. Petersburg. Die Uraufführung seiner ersten Sinfonie ist misslungenen. Erst nach dem Tod des Komponisten wird das Werk rekonstruiert und wieder aufgeführt. Wie modern diese Sinfonie ist, beschreibt der Dirigent Gabriel Feltz.
Alexander Glasunow, der die Uraufführung leitet, nimmt das Werk des jungen Kollegen wohl nicht so richtig ernst. "Ich bin überrascht, dass ein so hoch talentierter Mensch wie Glasunow so schlecht dirigieren kann", schreibt Rachmaninow an einen Freund über die Petersburger Premiere seiner ersten Sinfonie. Die vernichtenden Kritiken tun ein Übriges. César Cui, der Chefrezensent St. Petersburgs, verhöhnt Rachmaninow bissig als den Studenten eines Höllenkonservatoriums, der "die sieben Plagen von Ägypten erschuf".
Rachmaninow flieht zu seiner Familie nach Nowgorod. Trotz liebevoller Zuwendung durch die Verwandtschaft, gerät er in eine tiefe seelische Krise. "Ich glich einem Menschen, den der Schlag getroffen hatte und dem für lange Zeit Kopf und Hände gelähmt waren." Drei Jahre komponiert er kaum eine Note. Schließlich sucht er den Psychoanalytiker Nikolaj Dahl auf, Resultat ist das zweite Klavierkonzert, das dem Arzt gewidmet ist und eine ganz andere Klangsprache zeigt als die erste Sinfonie.
Gabriel Feltz, Generalmusikdirektor der Dortmunder Philharmoniker, bezeichnet die Uraufführung als den dritten großen Skandal der Musikgeschichte, neben den Uraufführungen des "Tannhäuser" von Richard Wagner 1845 und Strawinskys "Le Sacre du Printemps" von 1913. Mit dem Unterschied, dass der Skandal diesen beiden Komponisten Weltruhm brachte, während Rachmaninow zeitlebens vom Desaster der Uraufführung seiner ersten Sinfonie gezeichnet war. "Die Sinfonie werde ich nicht zeigen und im Testament werde ich ein Verbot ihrer Ansicht niederlegen…" Erst 1945 wurde die aus den Orchesterstimmen rekonstruierte Sinfonie ein zweites Mal in Moskau aufgeführt. Gabriel Feltz erläutert das Werk und macht uns mit dem Modernisten Rachmaninow bekannt, der sich in seiner ersten Sinfonie als "ein Enfant terrible der Komponistenszene der damaligen Zeit" präsentiert.
Eine Collage von Antje Grajetzky
Redaktion: Eva Küllmer
CD-Tipp
Sergej Rachmaninow: Sinfonie Nr. 1
Dortmunder Philharmoniker
Gabriel Feltz, Leitung
Label: DreyerGaido
Bestellnummer: 4260014871003