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04.08.2022 – Wagner, „Siegfried“ bei den Bayreuther Festspielen

Stand: 04.08.2022, 09:30 Uhr

In „Siegfried“ findet das Verwirrspiel, das der Regisseur Valentin Schwarz dem Publikum in den ersten beiden Teilen seiner Bayreuther Inszenierung von Wagners „Ring des Nibelungen“ zugemutet hat, ein vorläufiges Ende. Man sieht Szenenabläufe mit plausiblen, zum Teil interessanten Deutungen, wenn z. B. im 2. Aufzug die „Naturwesen“ in Menschen zurückverwandelt werden.

Der Drache, den Siegfried töten muss, um an das Rheingold zu kommen, entpuppt sich als ein schwerkranker alter Mann im Pflegebett, dem auch Wotan und Alberich Krankenbesuche abstatten. Als er sich erhebt und im Raum torkelt, erleidet er eine tödliche Herzattacke, ohne dass Siegfried eingreift, aber auch ohne dass ihm jemand zu Hilfe eilt. Das Waldvöglein ist eine von dem Kranken gepeinigte Pflegeschwester, mit der Siegfried ein Techtelmechtel beginnt.

Als Zuschauer freut man sich zwar immer auf diese Naturschilderungen, aber es geht auch ohne Drachenblut und Waldweben, so lange die Musik entschädigt, was Cornelius Meister - je nachdem - mit orchestraler Wucht oder feinen sirrenden Klängen besorgen konnte. Überhaupt war auf das Orchester immer Verlass, wenn es darum ging, den roten Faden in der Hand zu halten, getreu Wagners Motto vom Orchester und seinen Leitmotiven als Träger der Handlung.

Denn ohne diese wäre man im Festspielhaus doch ein wenig verloren, wenn sich das eigentlich erst noch zu schmiedende Schwert Nothung als ein in einer Krücke verborgenes langes Stilett entpuppt, oder der Ring selbst, den Fafner hütet, kein Gegenstand, sondern der inzwischen erwachsene entführte Junge ist, den man im „Rheingold“ schon kennen gelernt hat und der zusätzlich hier noch mit der Person Hagens gleichsetzt wird, der eigentlich erst in der „Götterdämmerung“ auftritt, hier schon vorläufig zum stummen Begleiter Siegfrieds wird.

Von solchen dramaturgischen Herausforderungen abgesehen, entfaltete sich der 1. Aufzug als psychopathologische Kompensationshandlung des Zwergs Mime wie die von Eltern, die ihre Kinder nicht gehen lassen mögen und ihr Domizil in ein Arsenal von Kindergegenständen verwandeln. Und im 3. Aufzug sieht man – dem Libretto gerecht – eine sich über eine halbe Stunde hinziehende zögerliche Annäherung Siegfrieds und Brünnhildes, immer wieder gestört durch Grane, bei Valentin Schwarz kein Ross, sondern ein ebenfalls stummer Begleiter und Schützer von Brünnhilde, der Siegfried nicht an sie ranlassen will.

Andreas Schager (Siegfried) und Daniela Köhler (Brünnhilde) im 3. Aufzug von „Siegfried“ bei den Bayreuther Festspielen 2022

Andreas Schager (Siegfried) und Daniela Köhler (Brünnhilde) im 3. Aufzug von „Siegfried“ bei den Bayreuther Festspielen 2022

Obwohl in jedem Aufzug also an vielen Stellen Nachvollziehbares passiert, hagelte es beim Schlussvorhang erst einmal böse Buhs solange, bis sich die Darsteller zeigten, von denen vor allem Andreas Schager sich in Ovationen baden konnte. Er präsentierte einen ungeschlachten, dem Alkohol zugetanen, langmähnigen Burschen mit nicht nachlassender Stimmkraft, allerding auch ohne Zwischentöne, von denen Arnold Bezuyen als dessen Erzieher Mime fast zu viele hören ließ, so dass ihm oft die Gesanglinie abhanden ging, wobei er ein schillerndes Charakterbild zwischen Verschlagenheit und rührender Naivität präsentierte. Etwas eindimensional, stimmlich wie spielerisch, und wenig textverständlich erlebte man Thomasz Konieczny als Wotan/Wanderer und Olafur Sigurdarson als Alberich, so dass man die Pointe des Beginns des 2. Aufzugs kaum mitbekommen konnte, wo für einen Moment - auch von Wagner im Libretto schon so angelegt - eine Nähe zwischen beiden Kontrahenten entstehen soll. Daniela Köhler war eine neue Brünnhilde im Festspielhaus. Passend zu ihrem Auftritt, bei dem sie im Gesicht bandagiert und in weißes priesterliches Gewand gehüllt in die Szene tritt, hatte ihr Gesang zunächst eine kristalline Unnahbarkeit, in den sich allmählich Töne von warmer Emphase mischten.

Premiere: 03.08.2022

Besetzung:
Siegfried: Andreas Schager
Mime: Arnold Bezuyen
Der Wanderer: Tomasz Konieczny
Alberich: Olafur Sigurdarson
Fafner: Wilhelm Schwinghammer
Erda: Okka von der Damerau
Brünnhilde: Daniela Köhler
Waldvogel: Alexandra Steiner

Orchester der Bayreuther Festspiele

Musikalische Leitung: Cornelius Meister
Regie: Valentin Schwarz
Bühne: Andrea Cozzi
Kostüm: Andy Besuch
Dramaturgie: Konrad Kuhn
Licht: Reinhard Traub