Live hören
WDR 3 - Das Kulturradio.
00.03 - 06.00 Uhr Das ARD Nachtkonzert
Olafur Sigurdarson (Alberich) in "Das Rheingold" bei den Bayreuther Festspielen 2023

27.07.2023 – Wagner, "Das Rheingold" bei den Bayreuther Festspielen

Stand: 27.07.2023, 09:30 Uhr

Der Anfang von "Rheingold", das Es-Dur-Grummeln, war vielversprechend, denn Pietari Inkinen ließ die Klänge nicht im Ungefähren brodeln, sondern schichtete sie zu konturierten Formationen, die ein Oben und Unten und hörbare Farbeinlagerungen in der Mitte kannten wie marmorierte Lava. Auch später in den Zwischenspielen spürte man den Willen zur Gestaltung einer deutlichen Musik, zu einem gebändigten Aufbrausen oder auch nur zu einer sinnfälligen Gliederung. Sobald Inkinen, der durch Coroana-bedingte Wartezeiten und letztes Jahr durch eigene Erkrankung gehindert war, nun endlich sein Bayreuther "Ring"-Debüt antreten konnte, sobald er es mit Sängern zu tun bekam, war es vorbei mit der souveränen Handhabe des musikalischen Geschehens oben und unten.

Da plapperte gleich am Anfang das Orchester schlecht wahrnehmbar zum unkoordinierten Gesang der Rheintöchter, da zeigte sich mit Olafur Sigurdarson ein Alberich mit dem Willen zu Bühnenpräsenz, aber ohne die Bereitschaft oder Fähigkeit die naive Boshaftigkeit, die im notgedrungenen Abschwören jeglicher Liebesregungen liegt, in eine gestaltete Gesangslinie zu fassen, selbst nicht am Schluss, wo er seinen, das weitere Geschehen der vier Abende bestimmenden Fluch ausstößt. Selbst diese herausgehobene Textzeile ging irgendwie unter. Hier und an vielen anderen Stellen hätte Inkinen regelnd eingreifen müssen. Oder war er ein Opfer der berühmt berüchtigten akustischen Verhältnisse im Festspielhaus?

An stimmlichen Fähigkeiten mangelte es Tomasz Konieczny als Wotan eigentlich nicht. Er verfügt über einen sonoren klangvollen Bass. Aber mit seiner gaumigen Artikulation war von seinen Worten über weite Strecken nichts zu vernehmen. Klangschönheit steht Christa Mayer dagegen nicht zur Verfügung. Immerhin konnte man Frickas Ermahnungen in der 2. Szene, Freia nicht den Riesen zu überlassen, wortgenau folgen. Ein sehr eigenwilliges Rollenporträt lieferte Daniel Kirch als Loge, indem er einen schlüpfrigen, abgefeimten Widerling auf die Bühne stellte und dabei auch noch allerlei schwule Klischees bediente. Rein stimmlich machte er wahrscheinlich zu viel Druck: Man hörte ihn in überdrehter Emphase, wohingegen sich List und Schläue eigentlich schöner in klarer musikalischer Linie und Diktion ausdrücken, und so ist die Partie ja eigentlich auch angelegt.

Man musste fast zwei Stunden warten, bis mit dem Auftritt von Okka von der Damerau als Erda eine aus strömendem Klang sich vermittelnde Botschaft ("Meide den Ring!") Platz schuf. Auch die beiden Riesen Fasolt und Fafner (Jens-Erik Aasbø und Tobias Kehrer) waren allein aufgrund ihrer stimmlichen Vorzüge in dieser Aufführung präsenter als Wotan und Konsorten.

Pietari Inkinen wird in den folgenden "Ring"-Teilen noch erheblich nachschärfen müssen, denkt man nur an die lange Konversation zwischen Wotan und Fricka in der "Walküre", an die Rätselstunde des Wanderers im "Siegfried" oder Alberichs und Hagens Dialog in der "Götterdämmerung".

Was die Inszenierung von Valentin Schwarz anbelangt, wirkte bei der Wiederaufnahme die Gleichsetzung des Rheingolds mit einem aus einer Kita entführten Knaben zwar auf dem Papier des Programmbuchs wie ein interessanter dramaturgischer Einfall auf der Bühne aber nach wie vor ungelenk und unplausibel.

Premiere der Wiederaufnahme: 26.07.2023, noch am 05. und 21.08.2023

Besetzung:
Wotan: Tomasz Konieczny
Donner: Raimund Nolte
Froh: Attilio Glaser
Loge: Daniel Kirch
Fricka: Christa Mayer
Freia: Hailey Clark
Erda: Okka von der Damerau
Alberich: Olafur Sigurdarson
Mime: Arnold Bezuyen
Fasolt: Jens-Erik Aasbø
Fafner: Tobias Kehrer
Woglinde: Evelin Novak
Wellgunde: Stephanie Houtzeel
Floßhilde: Simone Schröder

Orchester der Bayreuther Festspiele

Musikalische Leitung: Pietari Inkinen
Regie: Valentin Schwarz
Bühne: Andrea Cozzi
Kostüm: Andy Besuch
Dramaturgie: Konrad Kuhn
Licht: Reinhard Traub
Video: Luis August Krawen