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16.08.2019 – Verdi, „Simon Boccanegra“ bei den Salzburger Festspielen 2019

Stand: 16.08.2019, 12:25 Uhr

Warum erwartet man von den Opernregisseuren eigentlich immer ungewohnte Sichtweisen auf ein Stück oder zumindest Charakterstudien der auf der Bühne handelnden Personen? Oder ist das nur die Neugier der Kritiker? Andreas Kriegenburg hat mit seiner Inszenierung von Verdis „Simon Boccanegra“ nichts falsch gemacht. Sie wirkt nur allzu schlicht und unbedarft ins Moderne gewendet.

Der Doge Boccanegra läuft im burgunderroten, schlecht sitzenden Anzug herum, gestikuliert und genehmigt sich einen Schluck an der Bar, die in eine Betonwand eigelassen ist. Leider erwischt er dabei das von Paolo vergiftete Getränk. Überhaupt Beton: das Einheitsbühnenbild von Harald B. Thor soll eine moderne Herrschaftsarchitektur darstellen, die auf die Menschen abweisend wirkt. Deswegen eine hohe runde Betonwand mit einer Betontreppe und einer Betongalerie auf der rechten Seite. Links ist ein offener Raum. Hinten steht ein Flügel, auf dem Amelias Liebhaber Gabriele Adorno ein Schmalzlied klimpert und auf dem im zweiten Akt und Boccanegra fast gestorben wäre, was eher komisch gewirkt hätte. In der Mitte sieht man noch einen kleinen künstlichen Wald. Durch die Schlitze der Betondecke wird manchmal das Meer angedeutet, das laut Libretto als Sehnsuchtsort von Amelia wie auch von Boccanegra einen Gegenpol zum widrigen Hier und Jetzt bildet. Diese Beschreibungist jetzt vielleicht ein bisschen lieblos, aber jedenfalls nicht falsch.

Um es gleich zu sagen: vonder Meeressehnsucht Amelias: „Wie sich dein Schimmer, o Mond, mit der Welle vereint“ und Boccanegras „Oh welche Erfrischung! Die Brise des Meers“ war in der Musik mit den von Valery Gergiev geleiteten Wiener Philharmonikern nichts zu hören, eher, wo es leise und romantisch klingen soll, ein gluckerndes, Töne platschendes Orchester. Dafür ein mächtiges Forte an den richtigen Stellen, etwa vor dem Fluch Boccanegras, den Luca Salsi furchteinflößend herausdonnerte, während er sonst etwas unbedarft wirkte, eher wie ein leitender Angestellter, der sich nicht zurechtfindet.

Nochmal zur Schlichtheit der Inszenierung: Amelia hat bis kurz vor der Hochzeitsszene ein schlichtes, türkisfarbenes Kleid an, in dem sie wie die Nachbarin von nebenan wirkt, kein bisschen umgetrieben von der existenziellen Erfahrung, in dem Dogen ihren Vater wieder gefunden zu haben. Der Gesang von Marina Rebeka sagte dagegen etwas anderes. Das war die große Linie einer dramatischen Stimme, die diese Amelia jederzeit über Alltagsbefindlichkeiten hinweghob.

Ihr Liebhaber Gabriele Adorno ist ein dandyhafter Jammerlappen. Vielleicht wollte Kriegenburg ihn so zeichnen. Wenn er am Schluss der Oper als neuer Doge in einem Bürostuhl platziert wird, wirkt er deplatziert, denn er hat vorher nichts getan, was seine neue Würde rechtfertigte. Alle Verschwörungs- oder späteren Versöhnungshandlungen wirken bei ihm einfach nur affektiert. Und singt Charles Castronovo auch, jammernd und schluchzend, auch in seiner großen Eifersuchtsarie „O inferno“ im zweiten Akt. Er ist ein konturenloser Schmalspurliebhaber und ein unentschlossener Sprücheklopfer.

Der Intrigant Paolo ist dagegen ein Finsterling, wie er im Buche steht, vom ersten Moment an. André Heyboer sieht genauso aus und singt so, vielleicht mit einem ein wenig zu dunkel gefärbten Bariton, der keine Verschlagenheit spüren lässt, nur dumpfe Bosheit.

René Pape als Fiesco in Verdis „Simon Boccanegra“ bei den Salzburger Festspielen 2019

René Pape als Fiesco in Verdis „Simon Boccanegra“ bei den Salzburger Festspielen 2019

Und dann schreitet da noch René Pape als Boccanegras Widersacher Fiesco - immer korrekt gekleidet – durch die Szene. Hier findet die einzige Weiterentwicklung einer Rolle in dieser Inszenierung statt. Er ist Boccanegra, dem Vater seiner Enkelin Amelia, in persönlicher und politischer Feindschaft zugetan, denn er gehört zum anderen Lager. Obwohl er viele Auftritte hat, ist die Figur des Fiesco kein Handlungsträger. Aber durch die Präsenz von René Pape und seinem flutenden klangvollen Bass dominiert er in einer Weise den Bühnen- und Klangraum, dass man den Eindruck hat, als würden die Machtverhältnisse in dieser Oper umgekehrt.

So hat diese Produktion doch ein paar Momente, die sie über ihr schlichtes Äußeres heraushebt.

Premiere: 15.08.2019

Besetzung:
Simon Boccanegra: Luca Salsi
Amelia Grimaldi: Marina Rebeka
Fiesco: René Pape Jacopo
Garbiele Adorno: Charles Castronovo
Paolo Albiani: André Heyboer
Pietro: Antonio Di Matteo
Hauptmann: Long Long

Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor
Wiener Philharmoniker

Musikalische Leitung: Valery Gergiev
Inszenierung: Andreas Kriegenburg
Bühne: Harald B. Thor
Kostüme: Tanja Hofmann
Licht: Andreas Grüter
Video: Peter Venus
Choreinstudierung: Ernst Raffelsberger
Dramaturgie: Julia Weinreich