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Schlussszene aus Verdi „Macbeth“ am Gran Teatre del Liceu, Bühnenbild von Jaume Plensa

27.02.2023 – Verdi, „Macbeth“ in Barcelona

Stand: 27.02.2023, 09:30 Uhr

Der Katalane Jaume Plensa schafft eigenwillige, großdimensionierte Körper- und Kopfplastiken, die oft ihre Materialität herausstellen, etwa in Form von netzartig verbundenen Buchstaben und Zeichen, die ein Gerippe bilden oder in Form von glänzend metallenen Oberflächen. Dafür ist er berühmt geworden und folgt diesem Gestaltungsstil auch in seinen Theaterarbeiten seit bald 25 Jahren, meist zusammen mit der Truppe La Fura dels Baus und nun am Gran Teatre del Liceu Barcelona erstmals in Personalunion als Regisseur, Bühnen- und Kostümbildner bei Verdis „Macbeth“.

Wobei er doch mehr der bildende Künstler geblieben und nicht der Theaterregisseur geworden ist, der eine Szene gestaltet, in der Figuren in eine Interaktion treten. Das hat für ein Personendrama wie „Macbeth“ natürlich Folgen. Man spürt auf der Bühne des Liceu nichts von der vergifteten, aus gegenseitiger Abhängigkeit gespeisten Beziehung zwischen Macbeth und der Lady Macbeth. Man weiß davon nur, weil man die Musik kennt. Jaume Plensa stattet die Produktion aber mit einer Fülle von beeindruckenden Objekten aus. Das Schloss, in dem König Duncan umkommt, ist eine diagonale Reihe von Stellwänden im Dunkel mit sparsamen Lampen und Durchgängen, die wie in Verliese führen. Zum Klagechor “Patria oppressa!“ sieht man vor rotem Hintergrund Scherenschnittfiguren, aus deren Köpfen Buchstabenbänder entspringen mit Friedensbotschaften. Und beim finalen Kampf gegen Macbeth entpuppt der sich bewegende Wald von Birnam, der seinen Untergang bedeutet, als skulpturales Lanzen-Gestänge, das ihn umschließt. Und hier erscheinen in wechselnden Lichtern jene riesigen netzartigen Köpfe und kurz darauf, nicht weniger beindruckend, die metallglänzenden Masken.

Grandios sind auch die Ballettszenen im dritten Akt, die in der Welt der Hexen spielen. Die Tänzer, gekleidet in Ganzkörpersuits, wiederum mit dem für Plensa typischen Buchstabensalat bedruckt, vollführen in der Choreographie von Antonio Ruz über eine Viertelstunde hinweg kreatürlich animalische Tänze, danach geschwungen elegante Bewegungen oder synchron rhythmisierte Bewegungen, alles exakt zu jedem einzelnen musikalischen Abschnitt passend, vor allem in dem körperlichen Ausdruck der Tänzer von optischer Kraft.

Bemerkenswert ist, wie der Dirigent Josep Pons in dieser Ballettszene, wie auch in den vielen anderen volksmusikalischen Passagen in Verdis Partitur, Spannung durch konzentriertes Musizieren erzeugt. Da hüpfen leicht die Rhythmen, da hört man Trompeten, die nicht schmettern, sondern artikulieren wie Pianisten, da spielen Geigen wie im Streichquartett. Josep Pons ist ein Meister des Piano. Aber so wenig, wie Jaume Plensas bildnerische Intelligenz bei den dramatischen Stellen hilft, so wenig kann Pons die Lady in dem berühmten „Vieni t’affretta“ zum gleißenden Ausdrucksfeuer anstacheln. Und Ekaterina Semenchuk tat es von sich aus auch nicht, so dass diese Passage, wo sich eigentlich das Böse schlechthin in Tönen zeigen soll – man höre sich noch einmal Maria Callas an –, seltsam brav klang.

Ganz anders dagegen Željko Lučić als Macbeth. Nicht nur in „Pietà, rispetto, amore“ nahm er das Heft in die Hand, gestaltete diesen Gesang, in dem Macbeth‘ Gewissenbisse in einen tieftraurigen Weltabschied münden, wie ein Liedsänger, dem alle Nuancen des Akzentuierens, des Tempos, der Dynamik zu Gebote standen. Zugleich ließ er dieser Figur immer ein Rest an Würde ohne jede Spur von Larmoyanz. Pons folgte ihm zunächst sogar im Pianissimo, um dann in der Reprise mit den Streichern eine volltönende Affirmation zu bieten, ein gut kalkulierter Effekt.

Bei den anderen Rollen zeigte Simón Orfil mit mit seiner bedrohlich dunkeln Bassstimme die Figur des Banco in einer Unerschütterlichkeit, die ihn zu einem Gegenpol des zerrissenen Macbeth machte. Und Celso Albel als Macduff schmachtete bei „O figli, o figli miei!" im vierten Akt in einer Weise, dass man glaubte, er bejammere, dass eine Geliebte ihn nicht erhöre, anstatt den Tod seiner ganzen Familie zu beklagen, jedenfalls nicht in der Haltung eines Kämpfers, der das Volk von Macbeth befreien könnte.

Alles in allem eine Produktion, die durch bildnerische und musikalische Tableaus besticht und weniger durch Drama und Emotion.

Premiere: 16.02.2023, besuchte Vorstellung: 26.02.2023, noch bis zum 03.03.2023

Besetzung:
Macbeth Željko Lucic
Banco: Simón Orfil
Lady Macbeth: Ekaterina Semenchuk
Dame der Lady Macbeth: Gemma Coma-Alabert
MacDuff: Celso Albel
MacColm: Fabian Lara
Arzt/Macbeth‘ Diener/Mörder/Herold: David Lagares

Chor und Orchester des Gran Teatre del Liceu

Musikalische Leitung: Josep Pons
Inszenierung, Bühnenbild, Kostüme: Jaume Plensa
Choreographie: Antonio Ruz
Licht: Urs Schönebaum