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Jetzt läuft: Until the real thing comes along
Anna Princeva als Königin Elisabeth in Verdis „Don Carlo“ an der Oper Bonn

13.12.2021 – Verdi, „Don Carlo“ in Bonn

Stand: 13.12.2021, 09:30 Uhr

Im besten Fall hilft eine Opernregie den Sängern, ihre Partie mit Tiefe, Ausdruck und Hintergründigkeit auszustatten. Im schlimmsten Fall entfernt sie sich vom Stück und zeigt auf der Bühne, Abseitiges und bloß ausgedachte Bilder. Bei der neuen Inszenierung von Verdis „Don Carlo“- an der Bonner Oper gab es weder das eine noch das andere.

Die Bühnenbilder von Helmut Stürmer stimmen. Der Schauplatz des Klosters St. Just ist in eine düstere schwarz-weiß Stimmung getaucht mit dem Sarkophag von Karl V. in der Mitte, die Autodafé-Szene ist eine bedrohliche Volksansammlung mit rot leuchtenden, rauchenden Krematorien, und in der Gartenszene, in der die Prinzessin Eboli ihr folkloristisches Schleierlied singt, sieht man ein heiteres Ambiente, in dem Blumen gestreut werden. Im 4. Akt ist das Kloster zu einem realistischen Gefängnis umgewandelt, in dem Rodrigo und Don Carlos voneinander Abschied nehmen.

Alles nachvollziehbare Schauplätze also, in denen der Regisseur Mark Daniel Hirsch aber die Darsteller mehr oder weniger allein lässt. Das bekommt vor allem Leonardo Caimi als Don Carlo zu spüren, der leider gar kein schauspielerisches Talent hat und sich allein auf seine heldisch-metallen kraftvolle Tenorstimme verlassen muss.

Dagegen nimmt die Szene zwischen König Philipp und dem Großinquisitor das Publikum gefangen, weil Tobias Schabel und Karl-Heinz Lehner mit ihren sonoren Bassstimmen daraus eine richtige Staatsszene gestalten, bei der Philipp seine innere Zerrissenheit vermitteln kann, wenn er auf die stoische Unerbittlichkeit seines Widerparts trifft. Das war zweifellos der Höhepunkt der dreieinhalbstündigen Aufführung.

Giorgos Kanaris als Rodrigo kann energisch singen z. B. in der Szene, in der er dem König sein Terrorregime vor Augen führt, er kann auch einen warmen empfindsamen Ton anschlagen wie in der Abschiedsszene. Da strömt sein Gesang im schönsten Legato und in bemerkenswerter Textverständlichkeit.

Bei den Frauen machte Dshamilja Kaiser als Prinzessin Eboli den besten Eindruck. Bei „O don fatale“ im 4. Akt bereut sie ihre Intrige und verflucht ihre Schönheit mit feurigem und dramatischem Gesang. Anna Princeva als Königin Elisabeth hatte leider mit ihrem rauen, bisweilen brüchigen Timbre zu kämpfen selbst noch in ihrer großen Schlussarie „Tu che la vanità“. Aber sie konnte das durch ihre fragile, nachdenkliche Ausstrahlung ausgleichen und so der Figur etwas Profil verleihen.

Es kam bei der Bonner Premiere allerdings hinzu, dass sie von Hermes Helfricht und dem von ihm geleiteten Beethoven Orchester Bonn keine Unterstützung erfuhr, auch die anderen Sänger nicht. Allzu oft verschleppten die Musiker das Tempo, trafen den Puls nicht recht und erreichten eigentlich immer nur dann, wenn es ins Forte ging, so etwas wie einen musikalischen Kulminationspunkt.

Insgesamt wurde bei dieser mit großem Bühnenaufwand bewerkstelligten Premiere, für die die fünfaktige italienische Modena-Version von 1887 gewählt wurde, mehr verschenkt als gewonnen. Schade!

Premiere: 12.12.2021, noch bis zum 16.04.2022

Besetzung:
Filippo II:  Tobias Schabel
Don Carlo: Leonardo Caimi
Rodrigo: Giorgos Kanaris
Der Großinquisitor: Karl-Heinz Lehner
Ein Mönch: Magnus Piontek
Elisabetta von Valois: Anna Princeva
Prinzessin Eboli: Dshamilja Kaiser
Tebaldo: Lada Bočková
Stimme aus der Höhe: Sarah Vautour
Graf von Lerma / Ein königlicher Herold: Katleho Mokhoabane
Die Fürstin von Aremberg: Helena Baur

Chor und Extrachor des Theater Bonn
Beethoven Orchester Bonn

Musikalische Leitung: Hermes Helfricht
Choreinstudierung: Marco Medved
Inszenierung: Mark Daniel Hirsch
Ausstattung: Helmut Stürmer
Video:  Ruth Stofer
Licht: Max Karbe
Choreografie: Bärbel Stenzenberger