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06.12.2023 – Reinhard Keiser, „Nebucadnezar“ in Schwetzingen

Stand: 06.12.2023, 09:30 Uhr

Für das Programmheft der Oper „Nebucadnezar“ von Reinhard Keiser im Schlosstheater Schwetzingen hat der Musikwissenschaftler Hansjörg Drauschke einen interessanten Artikel zu den Unterschieden der galanten, empfindsamen und wollüstigen Liebe geschrieben. Galant meint selbstsichere, ungezwungene Umgangsformen gerade auch in der Begegnung der Geschlechter. Empfindsam ist dagegen eine auf Beständigkeit gerichtete Begegnung auf eine einzige Person, bei der ein verliebtes Spiel nicht im Vordergrund stehen muss. Wollüstig schließlich ist eine nur auf Befriedigung gerichtete Annährung, bei der das fehlt, was das 18. Jahrhundert „conduite“ nannte, also die Vertrautheit mit den Spielregeln des galanten Umgangs. In „Nebucadnezar“ werden diese drei Liebesarten von drei Frauenfiguren vorgeführt.

Der Librettist Christian Friedrich Hunold war ein Meister solcher Stücke und selbst ein galanter Lebemann, der sein Lebenskonzept mit den Sängerinnen des Ensembles der Hamburger Gänsemarktoper praktizierte, wo das Stück 1703 uraufgeführt wurde.

Shira Patchornik (Adina), Christian Pohlers (Cores), in: „Nebucadnezar“ von Reinhard Keiser

Shira Patchornik (Adina), Christian Pohlers (Cores), in: „Nebucadnezar“ von Reinhard Keiser

Dabei spielte es keine Rolle, dass in „Nebucadnezar“ ein alttestmentarischer Stoff gewählt wurde. Und nur vordergründig geht es um die Traumdeutungen des Propheten Daniel, der dem babylonischen König seinen Niedergang voraussagt, den seine Gattin Adina (eine Erfindung des Librettisten) ausnutzt, um sich an die Macht zu putschen, nur um den jungen Prinzen Darius sich zu greifen. Dieser bildet mit der Prinzessin Barsine die galante Liaison, wohingegen Cyrene und Beltsazer die empfindsame Seite repräsentieren.

Allein diese Konstellationen machen das Stück auch für heute hoch interessant, auch deswegen, weil zum Galanten auch Gleichberechtigung gehört, denn es gibt allen, die diese Umgangsformen beherrschen, auch die Möglichkeit, sich der erotischen Annährung zu verweigern. So singt die Prinzessin Barsine an einer Stelle: „Noch ist die Freiheit bloß die Lust, die mich vergnügen kann.“

In der Regie von Felix Schrödinger war von solchen Abstufungen freilich wenig zu spüren. Er hat das Stück modernisiert und in die Ästhetik einer Fernsehvorabendserie gebracht inklusive gelegentlicher Slapstickeinlagen und inklusive der in lila, orange, grün und sonstigen grellen Kostüm-, Frisur- und Raumfarben angerichteten Szenerie. Und König Nebucadnezar wird auch nicht nach seinem Sturz, wie der Untertitel heißt, „wiedererhöht“, sondern bleibt in Schrödingers Regie ein Pflegefall im Rollstuhl.

Für die Wiederentdeckung der Oper Rahmen des Festivals „Winter in Schwetzingen“, ausgerichtet vom Theater Heidelberg, wurde die Blockflötistin und Dirigentin Dorothee Oberlinger engagiert und in der besuchten Aufführung von dem Cembalisten Gerd Amelung vertreten, bei der man die Sorgfalt, mit der die herrliche, meist aus kurzen und prägnanten Arien bestehende Musik von Keiser einstudiert wurde, spüren konnte.

Besuchte Vorstellung: 05.12.2023, Premiere am 01.12.2023, noch bis zum 04.02.2024

Besetzung:
Nebucadnezar: Florian Götz
Adina: Shira Patchornik
Barsine: Theresa Immerz
Cyrene: Sara Gouzy
Beltsazer: Stefan Sbonnik
Darius: Dennis Orellana
Daniel: João Terleira
Cores: Christian Pohlers
Sadrach: Franko Klisović

Philharmonisches Orchester Heidelberg

Musikalische Leitung. Gerd Amelung (Dorothee Oberlinger)
Regie: Felix Schrödinger
Bühne und Kostüme: Pascal Seibicke
Lichtdesign: Andreas Rehfeld
Dramaturgie: Thomas Böckstiegel