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Musik-Empfehlung von Wibke Gerking

17.02.2018 – Händel, "Alcina" bei den Händel-Festspielen Karlsruhe

Stand: 17.02.2018, 13:50 Uhr

Manchmal genießt man in der Oper nicht nur den schönen Gesang, sondern auch ansprechende und sinnfällige Bewegungen auf der Bühne. Ich spreche nicht vom Tanztheater, sondern davon, wenn sich in den Arien die Personen in einer Weise bewegen, dass man die Musik besser versteht und umgekehrt. Schöne Arien gibt es in Händels Oper "Alcina", die jetzt bei den Karlsruher Händelfestspielen Premiere hatte, mehr als genug, 26 insgesamt. Alle laufen sie nach dem Da-Capo-Schema ab mit wiederholtem und variiertem ersten Teil. Und immer geht es um Liebesbegehren, Liebesenttäuschung oder Rache aus Liebe, also keine leichte Aufgabe für den Regisseur hier irgendwie eine Abwechslung und Spannung aufrechtzuerhalten. Dem jungen Amerikaner James Darrah gelang das bei seinem Deutschland-Debüt in Karlsruhe.

Im Grunde ging er ähnlich vor wie der Dirigent Andreas Spering, der mit seiner Sängerriege Triumphe feierte. Andreas Spering schaute sich das musikalische Material genau an und erzeugte durch handwerkliche Raffinesse sechsundzwanzig verschiedene musikalische Charaktere: In "Un momento di contento" z. B. ein sanftes tremolierendes Schweben, in "Sta nell'Ircana" ein funkensprühendes Schlachtengemälde. Und so nahm sich auch James Darrah Arie für Arie vor. Die Zauberin Alcina läßt er immer mit einer Korona von Tänzern auftreten, die mal einen Schweif hinter ihr bilden, mal einen Strahlenkranz. Wenn ihr Vertrauter Oronte in "Semplicetto" davor warnt, den Frauen nur ja nicht zu sehr zu trauen, lässt James Darrah ihn mit seinem Mantel spielen, der sich in eine fiktive Frau verwandelt, dann fesselt er sein Gegenüber damit, und im Dacapo zieht er ihn sich ganz entspannt an. Er hat seine Souveränität wieder erlangt. In dieser Weise entwirft der Regisseur immer neue sinnfällige Szenerien, bei denen man sich als Zuschauer bereichert und auf intelligente Weise unterhalten fühlt.

Georg Friedrich Händel, Alcina am Badischen Staatstheater Karlsruhe

David Hansen (Ruggiero), Layla Claire (Alcina) in Händels "Alcina"

Das Ganze findet dann auch noch in einem ästhetisch äußerst ansprechenden Einheitsbühnenbild statt, das Alcinas Zauberinsel durch nur zwei Wände andeutet, die mit rauem Putz und Blattgoldresten überzogen sind und in der Mitte getrennt werden durch Seile, die weißgebleichte Urwald-Lianen wirken. Diese Wände sind zugleich Projektionsfläche für nie aufdringliche Videoeinspielungen, die meist Zauberin Alcina in groß zeigen, aber auch Tiere, in die sie ja die Bewohner ihrer Insel verhandelt, als vorbeihuschende Schatten.

Einfach schön anzusehen alles und anzuhören von den Sängern, unter denen die sehr junge Carina Schmieger in der kleinsten Rolle des Knaben Oberto, der seinen verwandelten Vater sucht, unbedingt hervorgehoben werden muss, weil sie dieser Minirolle so viel Emotion und juvenile Dringlichkeit verleiht und das im schön fokussierten Stimmfluss, blitzgenauen Koloraturen und eleganten Verzierungen. Demgegenüber konnte der Countertenor David Hansen als der Zauberin verfallender und später geläuterte Ruggiero ein stimmliches Waffenarsenal auspacken, Tonkaskaden, die wie Maschinengewehrfeuer abschossen wurden, Sprünge hoch und tief wie er es wollte, anschwellende Töne, als ob der Luftstrom niemals nachlassen würde. Allerdings ist das Timbre seiner Stimme etwas gewöhnungsbedürftig. Es ist eher eng als weich und schmeichelnd. Alexey Neklydov ist ein lyrischer Tenor von höchsten Graden, agil und unangestrengt, dem seine eigentlich unsympathische Rolle des Intriganten Oronte offensichtlich Freude bereitete, sie dadurch adelte und auf die Ebene eines Mozarttenors hievte. Damit konnte Nicholas Brownlee als Melisso, dem Gefährten von Ruggieros Braut Bradamante nicht dienen. Ihm hat Händel eine polternde Basspartie zugedacht.

In der Titelpartie war Layla Claire leicht indisponiert nach überstandener Krankheit. Die Alcina hat die meisten und die schönsten Arie. Am besten gelang ihr die Rachearie "Ma quando tornerai". Die Partie des Bradamante liegt für einen Mezzosopran extrem tief. So hatte auch Benedetta Mazzucato manchmal Schwierigkeiten über die Rampe zu kommen, obwohl sie ganz sauber intonierte und ihre Koloraturen präzis ablieferte. Leichter hatte es dagegen Aleksandra Kubas-Kruk als Morgana, die flatterhafte Schwester der Zauberin. Ihre Arie "Tornami a vagheggiar" beschließt den ersten Akt mit Keckheit und zwitschernden Trillern als wäre sie eine Zerbinetta, eine der vielen schönsten Arien in Händels Oper "Alcina" und von den Deutschen Händel-Solisten ebenso lustvoll musiziert, dass man als Zuhörer gleich mittun wollte an diesem zauberischen Spiel.

Premiere: 16.02.2018 noch bis zum 27.02.2018

Besetzung:

Alcina: Layla Claire
Ruggiero: David Hansen
Morgana: Aleksandra Kubas-Kruk
Bradamante: Benedetta Mazzucato
Oronte::Alexey Neklyudov
Oberto: Carina Schmieger
Melisso: Nicholas Brownlee

Händel-Festspielchor
Deutsche Händel-Solisten

Musikalische Leitung: Andreas Spering
Regie: James Darrah
Bühne und Licht: Mac Moc Design
Video: Adam Larsen
Kostüme: Chrisi Karvonides-Dushenko
Chor: Carsten Wiebusch
Dramaturgie: Michael Fichtenholz, Boris Kehrmann