15.02.2020 - Händel, "Alcina" in Düsseldorf

Stand: 15.02.2020, 12:25 Uhr

Händels Oper "Alcina" gibt es in unzähligen hervorragenden Einspielungen und wird an allen Bühnen gespielt. Und trotzdem ist es kein Repertoirestück, sondern immer eine Herausforderung, für die Sänger, für das Orchester und vor allem auch für den Dirigenten. Man will diese Oper mit den wunderbaren Arien einfach nicht mehr anders hören, als in den Einspielungen der Heroen der Alten Musik wie William Christie, Andrea Marcon, Christophe Rousset oder Alan Curtis. Soll sie also an einem Stadttheater wie der Düsseldorfer Rheinoper nicht mehr erscheinen? Das darf nicht die Konsequenz sein, und immerhin hat der Düsseldorfer GMD Axel Kober wohl zum ersten Mal die Düsseldorfer Hofkapelle, ein Originalklangorchester, dirigiert.

Alte-Musik-Spezialisten im Orchestergraben sind aber noch keine Garantie für die richtige Balance, die rhetorische Spannung und das gesangliche Miteinander zwischen Instrumenten und Stimmen. Mit Sicherheit ist Axel Kober einer besserer Wagner- als ein Händeldirigent. Trotzdem gelang für jede der Hauptrollen mindestens eine Arie, in der man das Gefühl hatte, dass sich die Instrumente mit den Gesangslinien in einer schönen Einheit umranken.

Zum ersten Mal am Premierenabend nach einer halben Stunde mit der Arie "Tornami a vagheggiar", in der Shira Patchornik in der Rolle der flatterhaften Morgana, die Schwester der Zauberin Alcina, in einem leichten, unbeschwerten Glockenklang ihre Stimme hüpfen ließ und danach in den langgezogenen Linien eine Spur von echter Empfindung beimischte und damit wirklich den Charakter der Morgana zeigte. Die Regisseurin Lotte de Beer veranlasste dieses Mädchen im grünen 50er-Jahre Kleid, sich wie eine Gelenkpuppe zu bewegen.

Dann Wallis Giunta als Bradamante, die ihren Ruggiero aus den Liebes-Fesseln der Alcina befreien will und mit gespielter Empörung in atemberaubenden Tempo irrwitzige Koloraturen in den Raum sandte, in Händels wahrscheinlich schnellster Arie überhaupt. Dass man auf der Bühne einen pubertären Streit zwischen den beiden sieht, passte nicht schlecht zu der exaltierten Musik.

Dieser von Alcina geblendete Ruggiero findet spätestens in seiner Arie "Sta nell'Ircana" zu sich und singt von der Tigerin, die ihr Junges verteidigt. Maria Kataeva tut dies in einem kraftvollen, runden Ton und drückte mit den Sprüngen und Koloraturen mehr Entschlossenheit aus als zuvor noch ihre Verlobte Bradamante in ihrem irrlichternden Rasen. Vom Orchestergraben aus halfen ihr die Naturhörner.

Schließlich Alcina selbst. Jacquelyn Wagner hat sechs Arien und ein dramatisches Orchester-Rezitativ zu singen. Sie ist von Haus aus eine Verdi-, Wagner- und Strauss-Interpretin. Den barocken Belcanto beherrscht sie aber auch. Aber es dauerte bis zu "Mi restano le lagrime" am Schluss der Oper, eine der längsten Händel-Arien überhaupt, bis man das Gefühl hatte, dass Musik und Gesang gemeinsam Atem schöpften. Da erst konnte sich der weit ausschwingende Trauergesang, das schön geformte Seufzen in das musikalische Bild einer gebrochenen und noch würdevollen Frau fassen lassen.

Das sind aber nur vier von fast dreißig Arien, in allen denen nicht nur die Musiker sondern auch die Regisseurin den Puls, die innere Spannung und eine gelenkige Verschränkung von Instrumenten und Stimmen finden müssen.

Wallis Giunta (Bradamante), Jacquelyn Wagner (Alcina), Maria Kataeva (Ruggiero) in Händels "Alcina"

Wallis Giunta (Bradamante), Jacquelyn Wagner (Alcina), Maria Kataeva (Ruggiero) in Händels "Alcina"

Lotte de Beers Inszenierung setzte dabei vordergründig auf choreographische und gestische Entsprechungen zur Musik. Die Figuren treten, tändeln und taumeln und beim musikalischen Trugschluss in der Tränen-Arie fallen alle auf einmal hin. Das wirkte dann wie eine Sitcom, die in einer Strandbar stattfindet und die Zauberinsel Alcinas repräsentieren soll. In der Pause hat es da wohl gebrannt und man sieht verkohlte Balken und Stützstreben, die nach und nach entfernt werden, bis nur noch die Couch von Alcina übrig bleibt. Erlebt diese Frau auf der Couch aber eine existenzielle Krise oder nur eine depressive Verstimmung? Solche Fragen werden auf der Düsseldorfer Bühne zwar angeschnitten, aber nicht beantwortet.

Premiere: 14.02.2020, noch bis zum 01.03.2020

Besetzung:
Alcina: Jacquelyn Wagner
Ruggiero: Maria Kataeva
Morgana: Shira Patchornik
Bradamante: Wallis Giunta
Oronte: Andrés Sulbarán
Melisso: Beniamin Pop
Oberto: Maria Carla Pino Cury

Neue Düsseldorfer Hofmusik

Musikalische Leitung: Axel Kober
Inszenierung: Lotte de Beer
Bühne: Christof Hetzer
Kostüme: Jorine van Beek
Licht: Alex Brok
Video: fettFilm
Konzeptionelle Mitarbeit: Peter te Nuyl
Dramaturgie: Anna Melcher