Božidar Smiljanić (Eumée), Paula Murrihy (Pénélope) und Eric Laporte (Ulysse) in "Pénélope" von Gabriel Fauré

02.12.2019 – Gabriel Fauré, "Pénélope" in Frankfurt

Stand: 02.12.2019, 12:25 Uhr

Man kann in Homers Geschichte von Penelope und Odysseus viel hinein interpretieren, und die Regisseurin Corinna Tetzel tut das bei ihrer Inszenierung von "Pénélope", Gabriel Faurés einziger Oper, in Frankfurt auch. Bei Fauré gibt es keine Götter und auch nicht den Sohn Telemachos. So ist Pénélope auf sich gestellt. Es wird dann die Geschichte einer emanzipierten Frau erzählt, die von den widerlich-machohaften Freiern nicht durch Odysseus' Bogenschuss freikommt, sondern durch eigenes Handeln, durch penetrante Verweigerung drei Akte lang und durch Tötung der Freier mit dem Messer am Schluss. Die Botschaft der Regisseurin Tetzel lautet: die Souveränität, die sie sich all die Jahre erarbeitet hat, will sie nicht durch einen männlichen Befreiungsakt preisgeben.

Der Mord an den Freiern wird auf der Frankfurter Bühne freilich nicht gezeigt, nur wie Ulysse ihr vorher das Messer reicht. Auf dem erhöhten Bühnenboden, den Rifail Ajdarpasic als eine Art Dachterrasse gestaltet hat, tut sich in jenem Moment ein dunkler Spalt auf, der vielleicht die Unterwelt darstellen soll, in dem merkwürdigerweise auch Ulysse verschwindet. Zuvor hat er sie, als in der Musik der Bogenschuss erklingt, sie erstmals umarmt und geküsst. So viel eigene Interpretation ist legitim, denn Faurés Musik ist sehr handlungsarm. Gemeint ist tatsächlich die Art, wie Fauré vertont, denn das Libretto von René Fauchois folgt ja doch ziemlich genau Homers Epos. Da hört man von Fauré über zwei Stunden lang einen Tonfall französischer Larmoyanz über einem Orchester, das eine pastellene Grundierung liefert, aber irgendwie unspezifisch bleibt, obwohl die Partitur mit Leitmotiven durchsetzt ist, wie kluge Musikanalytiker versichern.

Diese Larmoyanz wandelt die Sängerin der Pénélope Paula Murrihy in ein stoisches Insichruhen. Da kann es noch so turbulent um sie herum zugehen, sie zwingt sich zur immergleichen, fast formelhaften Gesangsmelancholie und verzieht kein Auge. Die Gewalt, die die Freier den Dienerinnen antun, der Aktionismus, den Eric Laporte als Ulysse mit seiner tenoralen Strahlkraft einbringt, die Aufgewecktheit von Euryclée, die mehr jugendliche Begleiterin als alte Amme ist und das Poltern des Hirten Eumée, das alles prallt an dieser Pénélope ab, die so zu einer Ikone des Wartens wird und die das Totenhemd von Laërte, an dem sie Nacht für Nacht webt und es wieder auflöst, selbst anhat. Dieses Totenhemd ist ein weißes Kleid aus langen Stoffbändern, ein schöner Einfall der Kostümbildnerin Raphaela Rose.

Man merkte, wie sorgfältig die hoch gelobte Dirigentin Joana Mallwitz die Partitur mit dem Frankfurter Opern- und Museumsorchester erarbeitet hat, wie alles ineinanderfließt und austariert ist. Aber man will mehr glauben, als dass man es hört, dass Fauré mit "Pénélope" ein wirkliches Musikdrama geschaffen hat. Selbst der C-Dur-Jubel am Schluss hatte noch etwas Verhaltenes.

Die Frankfurter Produktion von "Pénélope" war erst die zweite in Deutschland überhaupt. Auch in Frankreich ist das 1913 uraufgeführte Werk kaum zu hören. Man glaubte zu spüren, warum.

Premiere: 01.12.2019, noch bis zum 23.01.2020

Besetzung:
Pénélope: Paula Murrihy
Ulysse: Eric Laporte
Euryclée: Joanna Motulewicz
Eumée: Božidar Smiljanić
Antinoüs: Peter Marsh
Eurymaque: Sebastian Geyer
Léodès: Ralf Simon
Ctésippe: Dietrich Volle
Pisandre: Danylo Matviienko 
Cléone: Nina Tarandek
Mélantho: Angela Vallone
Alkandre: Bianca Andrew
Phylo: Julia Moorman
Eurynome: Julia Katharina Heße
Lydie: Monika Buczkowska
Ein Hirte:  Solistin des Kinderchores der Oper Frankfurt

Chor der Oper Frankfurt
Frankfurter Opern- und Museumsorchester

Musikalische Leitung: Joana Mallwitz
Inszenierung: Corinna Tetzel
Bühnenbild: Rifail Ajdarpasic
Kostüme: Raphaela Rose
Licht: Jan Hartmann
Video: Bibi Abel
Chor: Markus Ehmann
Dramaturgie: Stephanie Schulze