"A Hand of Bridge" von Samuel barber als Videoproduktion des Musiktheaters im Revier

05.07.2020 – Samuel Barber, A Hand of Bridge, digital am Musiktheater im Revier

Stand: 05.07.2020, 12:25 Uhr

Eine Partie Bridge dauert etwa 10 Minuten, genauso lang wie Samuel Barbers Oper "A Hand of Bridge" - wahrscheinlich die einzige Oper in Realzeit und eine der kürzesten dazu. Die vier Spieler lassen ihre Gedanken abschweifen, Sally will einen Pfauenfederhut kaufen, Bill träumt von seiner geliebten Cymbaline, Geraldine fühlt sich von niemandem geliebt außer ihrer alten Mutter, und David will so reich sein wie Mister Pritchett, "the bastard". Man ist zusammen und doch nicht, inneres social distancing sozusagen.

Das Musiktheater im Revier hatte für Samstagabend zu einer Premiere am Bildschirm geladen. Und es stellte sich nach vier Monaten Opernabstinenz landauf, landab tatsächlich ein wenig Premierenfieber ein. Um Punkt 19:30 Uhr schnurrt das Stück ab. Mittels ausgefeilter Greenscreentechnik werden die Spieler in ihre Fantasiewelten versetzt, Geraldine vor ein Fenster, in dem sie sich selbst als Kind mit ihre Mutter sieht. Bill rekelt sich auf der Couch, und David hat finstere Gedanken am Schreibtisch. Sally erscheint als Crossdresser mit Counterstimme. In den Übergängen, in denen dann doch Bridge gespielt wird, füllen sich die Karten mit ihren Porträts, alles ineinanderfließend gestaltet, so dass sich die Beiläufigkeit der ganzen Situation vermittelt, was sonst die Musik ist.

Dazu singen die vier Eleven des Opernstudios NRW in einem quirligen Parlando oder mit dezenter Emphase, sobald sie sich wegphantasieren. Robin Phillips, der Leiter des Opernstudios, hat das Stück für Klavier arrangiert und einstudiert. Man vermisst bei seiner Begleitung die zwölf, Corona-bedingt zu Hause gebliebenen Instrumente des Kammerorchesters, das Barber eigentlich vorgesehen hat, eigentlich gar nicht.

"A Hand of Bridge" mag man sich nach der dieser gelungenen Premiere fast gar nicht mehr auf einer echten Bühne vorstellen. In seiner Youtube-Länge und weil die Spieler immer in ihrer eigenen Welt sind, ist es das passende Stück für unsere durch virtuelle Mechanismen geprägte Zeit, woran Samuel Barber, der "A Hand of Bridge" 1959 beim Spoleto Festival herausgebracht hatte, natürlich noch nicht denken konnte.

Premiere: 04.07.2020 und im Netz

Besetzung:
David: Daegyun Jeong
Geraldine: Wendy Krikken
Bill: Adam Temple-Smith
Sally: Etienne Walch

Musikalische Leitung und Klavier: Robin Phillips
Regie: Tanyel Sahika Bakir
Bühne, Kostüm & Video: Julieth Villada