Bochum ohne Autoproduktion
Was kommt nach Opel?
Stand: 14.12.2012, 06:00 Uhr
Während Opel-Mitarbeiter, Gewerkschaften und Politiker gegen das Ende der Autoproduktion in Bochum Sturm laufen, beginnen die Planungen für die "Zeit nach Opel". Ideen gibt es viele. Nachgedacht wird zum Beispiel über Zentren für Produktionswirtschaft, Logistik oder Medizin.
Von Christoph Stehr
Das Opel-Werk II ist ein Symbol für den Tod auf Raten, den der Autobauer in Bochum seit 20 Jahren stirbt. Die riesigen Hallen in Bochum-Langendreer stehen größtenteils leer. Von 220.000 Quadratmetern werden 40.000 genutzt. Früher liefen hier Motoren, Achsen und Getriebe vom Band. Geblieben sind die Getriebe und mit ihnen 300 Beschäftigte. Außerdem unterhält Opel mit dem Baumaschinenhersteller Caterpillar ein Logistikzentrum in Werk II. Eine Ausbildungseinheit, an der der TÜV Nord beteiligt ist, gibt es auch noch. Die Getriebefertigung sollte eigentlich vor einem Jahr schließen, doch der Betriebsrat konnte einen Aufschub bis Ende 2013 erwirken.
Netzwerk Produktionswirtschaft
Das Opel-Werk II könnte aber auch ein Symbol für einen Neuanfang sein, wenn die Autoproduktion 2016 endgültig dicht macht. So sieht es Paul Aschenbrenner, Bochumer Stadtdirektor und Dezernent für Wirtschaftsförderung. Er kann sich Werk II als Standort eines "Innovations-Cluster Produktionswirtschaft" vorstellen, also eines Zentrums für Forschung, Entwicklung und Fertigung. "Wir haben in der Region rund 1.200 kleine, mittlere und große Produktionsunternehmen mit 29.000 Mitarbeitern", sagt Aschenbrenner. "Das Innovations-Cluster wäre eine Möglichkeit, die Unternehmen zu vernetzen und den Technologietransfer mit den zahlreichen Hochschulen vor Ort zu stärken."
Der Plan lässt hoffen, nachdem am Montag (10.12.2012) die Hiobsbotschaft aus Detroit viele geschockt hatte. Aber der Plan ist nicht neu, sondern einer von vielen Strohhalmen, nach denen Stadt und Wirtschaftsverbände immer wieder greifen, seit sich das Ende für Opel in Bochum abzeichnet. Eine Arbeitsgruppe aus Wirtschaftsförderung, Industrie- und Handelskammer, NRW-Wirtschaftsministerium, IG Metall und Opel sucht seit einem Jahr Perspektiven für Werk II. Ein Standortgipfel, aber bislang kein Krisengipfel: "Dass wir uns auf eine Zukunft ohne Opel vorbereiten müssten, war nicht unser Thema", sagt Aschenbrenner. "Unser Thema lautete: Wie können wir Opel unterstützen, damit das Unternehmen in unserer Stadt eine Zukunft hat?"
Erst einmal kämpfen
Einfach das Kapitel Opel abhaken und zur Tagesordnung einer normalen Standortentwicklung übergehen will niemand. "Bevor wir uns mit einem Plan B befassen, setzen wir erst einmal auf Plan A und tun alles dafür, dass die Autoproduktion erhalten bleibt", sagt Julia Beuerlein von der IHK Mittleres Ruhrgebiet, die für Bochum zuständig ist. Aber auch die IHK verschließt die Augen nicht vor den Tatsachen. Vieles hänge davon ab, ob auf dem Werksgelände Flächen frei würden, die man für Neuansiedlungen von Unternehmen nutzen könne, meint Beuerlein: "Dazu müsste Opel bereit sein, Flächen an die Stadt zu verkaufen, was wiederum finanzielle Unterstützung durch das Land erforderlich macht." Erste Verhandlungen haben stattgefunden, bislang ohne Ergebnis.
Viele Ideen für Bochum und die Region
Über die Zukunft Bochums wird vielerorts nachgedacht. Das ist einerseits beruhigend, weil viele Köpfe viele Ideen haben. Andererseits ist gerade das das Problem – möglicherweise gibt es zu viele Konzepte, Strategien und Akteure. Das "Innovations-Cluster Produktionswirtschaft" ist eine von mehreren Optionen, mit denen sich die neue Initiative "Bochum Perspektive 2022" beschäftigt. Der Initiativkreis Ruhr hat im Rahmen seiner "Strategie Zukunft Ruhr 2030" ein "Effizienz-Cluster Logistik Ruhr" angestoßen, das 120 Unternehmen sowie elf Hochschulen und Forschungseinrichtungen vereint und Städte wie Bochum, Dortmund, Essen, Duisburg zu einer Drehscheibe des internationalen Warentransports machen soll. Bochum könnte mit seinem Biomedizinzentrum an der Ruhr-Universität auch ein Angelpunkt der Gesundheitswirtschaft werden, die im näheren Umkreis 23.000 Beschäftigte zählt – mit diesem Ziel hat sich das Netzwerk Medecon Ruhr gegründet. Nicht zuletzt ist die Kreativwirtschaft mit Medien, Werbung sowie Agenturen für Design oder Computerspiele ein Wirtschaftsfaktor, hier arbeiten 8.000 Menschen.
Schwierige Koordination
Der Wettbewerb der Ideen wird durch Mittel von Land, Bund, EU, Wirtschaftsverbänden finanziert – und angeheizt. Hinzu kommen Förderer im halböffentlichen Sektor, etwa die RAG-Stiftung, die 2012 den Wettbewerb "Kooperation Ruhr" gefördert hat. Der Regionalverband Ruhr versucht über seine Tochtergesellschaft Wirtschaftsförderung Metropoleruhr, die Aktivitäten zu bündeln. "Wir sind allerdings ein Verband für das ganze Ruhrgebiet und haben keine Detailkonzepte für einzelne Städte", sagt ein Sprecher. Im größten europäischen Ballungsraum wird zwar viel Energie für Zukunftsszenarien eingesetzt. Aber es verpufft auch viel Energie, weil die vielen Köche, die den Brei anrühren, sich nicht immer einig sind, wie er verteilt werden soll.
Für die Opel-Werker in Bochum haben die Konzepte zur Standortentwicklung nur eingeschränkte Bedeutung. Ein Kfz-Mechatroniker wird so schnell keine Computerspiele entwickeln oder im OP-Saal die Narkose überwachen. Im Moment interessiert mehr, was bei den Gespräch zwischen Betriebsrat und Management über den Erhalt von Teilen der Produktion in Bochum herauskommt. Derweil haben am Donnerstag (13.12.2012) die Abgeordneten des Düsseldorfer Landtags und des Bundestags die Werksschließung mehrheitlich kritisiert. Das Opel-Management in Bochum sagte die für Samstag (15.12.2012) geplante Feier zum des 50-jährigen Werksjubiläum ab.