Die Zeugen Jehovas sind eine christliche Glaubensgemeinschaft mit einer eigenen Auslegung der Bibel. Ihren Gott nennen sie Jehova. Gegründet wurde die Gemeinschaft von einem US-Amerikaner im 19. Jahrhundert. Damals allerdings als Unternehmen, das den Vorläufer der heutigen Zeitschrift "Der Wachtturm" vertreiben sollte. Seit den 1930er Jahren nennen sich auch Gläubige "Jehovas Zeugen".
Warten auf den "Gotteskrieg"
Bekannt sind sie vor allem für ihre Anwerbungs- und Bekehrungsversuche in Fußgängerzogen und an Haustüren. Sie sollen dabei nicht nur den "Wachturm" verkaufen, sondern auch predigen. Dazu werden Zeugen Jehovas rhetorisch ausgebildet. Sie glauben nicht an Jesus als Teil einer Dreifaltigkeit, sondern als ein von Gott geschaffenes Wesen. Sie sind überzeugt, dass es irgendwann ein "Harmagedon" gibt, einen Gotteskrieg, in dem alle Menschen, die keine Diener Gottes sind, vernichtet werden. Deshalb sollten sich die Menschen den Zeugen Jehovas anschließen, um verschont zu werden.
Der Kontakt zu Ehemaligen ist untersagt
Versammlungen im Königsreichsaal
Zeugen Jehovas glauben unter anderem, dass auf der Erde Satan regiert. Der Kontakt zu allem Weltlichen muss deswegen vermieden werden. Auch der Kontakt zu ehemaligen Mitgliedern, die ausgeschlossen werden, ist streng untersagt. "Das führt zu großen Beziehungskonflikten, und solche Risse gehen dann auch durch Familien", sagt Michael Utsch, Religionspsychologe, Referent der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen dem WDR. Wenn also eigene Kinder oder Partner nicht mehr zu Versammlungen gehen, kann es zu großem psychosozialen Stress führen, so Utsch.
Strikte Regeln
Weihnachten, Ostern, Advent, Geburtstage, Namenstage, Fasching, Muttertag, Silvester und vieles mehr sind als "heidnische Feste" verboten. Die Zeugen Jehovas sehen die Ehe als von Gott gegeben, Untreue ist Sünde, Scheidung nur möglich, wenn der Partner untreu war. Sex vor der Ehe ist verboten. Homosexualität lehnen sie ab. Die Frau ist deutlich untergeordnet: In den leitenden Positionen kommen nur Männer zum Vorschein.
Zeugen Jehovas dürfen auch keine Bluttransfusionen erhalten. Die Uniklinik Düsseldorf hat deshalb zum Beispiel eine interne Handlungsanweisung an Mitarbeitende herausgegeben, wie mit kranken Zeugen Jehovas in der Notfallversorgung umgegangen werden soll.
Vom Staat anerkannt
2006 erstritten die Zeugen Jehovas vor dem Bundesverwaltungsgericht ihre Anerkennung als "Körperschaft des öffentlichen Rechts" im Land Berlin. Inzwischen haben sie diesen Status in allen Bundesländern. Damit dürften sie Kirchensteuer erheben und Stiftungen gründen. Daran haben sie aber kein Interesse, ihnen geht es nach eigenen Angaben vor allem um die steuerlichen Vorteile.
Unterschied zu evangelikalen Kirchen
Von Laien werden Zeugen Jehovas und Evangelikale oft verwechselt, sagt Utsch. Aber die evangelikalen Bewegungen seien im Gespräch mit der Zeit, so Utsch. "Bei Jehovas Zeugen, da hat sich in den letzten Jahrzehnten nichts geändert, die bewegen sich keinen Millimeter, wenn man die kritisiert, dann kriegt man ein Schreiben von deren Rechtsanwaltskanzlei", sagt Utsch. Evangelikale suchten das Gespräch mit Kritikern und veränderten sich eben auch.
Sekte oder nicht?
Aussteiger haben es schwer
Die Zeugen Jehovas werden häufig als Sekte bezeichnet. Das Problem: Der Begriff ist nicht klar definiert - auch nicht staatsrechtlich oder religionswissenschaftlich. Es gibt zwar einige Kriterien, die angeführt werden können, wenn es um die Einschätzung geht: Aussteigen ist kaum möglich, herkömmliche Medien sind verpönt, das Heil ist nur in der Gemeinschaft zu finden - um nur einige zu nennen. Das alles trifft auf die Zeugen Jehovas zu, sagte Andreas Fincke von der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen schon 2006 in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung. "Die Zeugen Jehovas sagen ganz klar, dass es keine Religionsgemeinschaft auf der Welt gibt, die auch nur annähernd auf dem Weg zu Gott sei - außer ihnen selbst."
Trotzdem tut sich Fincke schwer damit, sie eine Sekte zu nennen. Denn: "Nicht alles, was klein und fremd ist, ist eine Sekte. Das ist die Gefahr: Dass der Mainstream sagt, was wir unter 'vernünftiger' Religion verstehen, ist das normale und alles andere Sekte." Auch von Staats wegen wird der Begriff vermieden: Eine Enquetekommission hat Ende der 90er Jahre dafür plädiert, die Verwendung wegen der "negativen Konnotation" zu vermeiden. Fincke stimmt zu: "Wir werden nicht glücklich mit diesem Begriff." Das hat aber nichts daran geändert, dass er in der Öffentlichkeit immer noch genau so verwendet wird - auch für die Zeugen Jehovas, die sich selbst schlicht "Religionsgemeinschaft" nennen.