Jüdische Gemeinde Synagoge Bielefeld

Tochter von Hamas-Geisel bei jüdischer Gemeinde in Bielefeld

Stand: 10.03.2024, 07:49 Uhr

In der jüdischen Gemeinde Bielefeld war am Samstag die Tochter einer Hamas-Geisel zu Gast. Ihr Vater wird seit dem 07. Oktober 2023 im Gaza-Streifen festgehalten.

Am Ende des Abends standen in der Synagoge in Bielefeld immer wieder Zuhörer auf, um das Mikrofon zu nehmen und Shai Benjamin für ihr Kommen zu danken und ihr Kraft zu wünschen.

Jüdische Gemeinde Synagoge Bielefeld

Shai Benjamin mit einem Bild ihres Vaters, Ron Benjamin

Die Menschen im Publikum nahmen großen Anteil am Schicksal der 25-Jährigen und dem ihres Vaters Ron Benjamin. Ron Benjamin gehört zu den mehr als 100 israelischen Geiseln, die wohl noch in der Gewalt der Terror-Organisation Hamas sind – und das schon seit dem 7. Oktober.

„Mein Vater ist der beste Vater der Welt. Ich habe so ein Glück mit ihm. Es vergeht kein Tag, an dem ich ihn nicht vermisse“, sagte Shai Benjamin in Bielefeld. Zuvor hatte sie bereits vom Tag der Geiselnahme und von den 57-Tagen danach erzählt, die vergingen bis sie endlich ein Lebenszeichen ihres Vaters bekam.

So wie Shai Benjamin reisen inzwischen mehrere Angehörige von israelischen Geiseln der Hamas durch Europa. Unter dem Titel „Bring them Home now“, der auch auf Protesten und im Internet benutzt wird, wollen sie dafür sorgen, dass die Geiseln nicht in Vergessenheit geraten. Und sie sammeln Spenden für Angehörige, die in finanzieller Not sind, weil der Familie ein Einkommen fehlt.

„New York, Los Angeles, Hamburg, London – Ich spreche wo immer und wann immer ich kann. Ich kämpfe dafür, dass wir alle Geiseln zurückbekommen. Und ich suche mit aller Kraft nach Leuten, die uns unterstützen“, sagte Shai Benjamin in Bielefeld.

„Eine sehr starke junge Frau, bewundernswert für mich“, meinte anschließend Irit Michelsohn, die Vorsitzende der jüdischen Gemeinde. „Ich finde diese Mission eine großartige Sache. Denn das ist ja auch das, was wir versuchen: Die Geiseln in Erinnerung zu bringen und dafür zu sorgen, dass sie nicht vergessen werden.“

Henrik Wüst besucht Synagoge

Ministerpräsident Henrik Wüst beim Besuch der Bielefelder Synagoge

In der Bielefelder Synagoge hatte Michelsohn nach dem 7. Oktober Fotos der Geiseln aufhängen lassen. Eine Ausstellung, die in Gesellschaft und Politik für viel Aufmerksamkeit gesorgt hat.

Michelsohn findet, dass in der deutschen Öffentlichkeit die Not der Menschen im Gaza-Streifen das Schicksal der israelischen Geiseln inzwischen überlagert. Einen weiteren Beleg dafür sieht sie in der Tatsache, dass die Synagoge an diesem Abend, an dem die Angehörige einer Geisel zu Gast war, nicht bis auf den letzten Platz besetzt war.

Rund 45 Leute waren gekommen, um Shai Benjamin zuzuhören. Irith Michelsohn hatte mit deutlich mehr Interesse gerechnet. „Ich bin wahnsinnig enttäuscht. Ich musste meine Tränen unterdrücken. Ich hab gedacht, die Menschen stehen hier Schlange. Und ich bin auch von den Bielefelder Institutionen enttäuscht, die sich auf die Fahnen schreiben, dass sie einen interreligiösen Dialog fördern.“

„Selbstverständlich sind wir gekommen“, sagte dagegen Ute Dausendschön-Gay aus Werther, die mit ihrem Mann im Publikum saß. Der fügte hinzu: „Wir wollen uns mit den Menschen solidarisch zeigen, die betroffen sind. Und zwar auf allen Seiten. Von der Not im Gaza-Streifen und vom Terror der Hamas.“

Und auch der Bielefelder Jens Bartneck war gekommen. „Es ist für beide Seiten eine humanitäre Katastrophe“, so Bartneck. Aber wie die Vorsitzende der jüdischen Gemeinde sieht auch er die Aufmerksamkeit für die israelischen Geiseln schwinden. „Ich will zeigen: Ich als Bielefelder Bürger bin weiter interessiert am Schicksal dieser Menschen.“

Unsere Quellen:

  • WDR-Reporterin vor Ort

Tochter einer Hamas-Geisel

WDR Studios NRW 08.03.2024 00:45 Min. Verfügbar bis 08.03.2026 WDR Online


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