Tina Klein - Was bedeutet Schönheit?

06:03 Min. Verfügbar bis 06.06.2024

Tina Klein aus Hilchenbach: Selbstliebe definiert Schönheit

Stand: 07.06.2023, 06:00 Uhr

Wer entscheidet eigentlich, wer schön ist? Diese Frage hat sich Tina Klein aus Hilchenbach in den vergangenen Jahren oft gestellt.

Von Elisabeth Konstantinidis

Innerhalb von nur einem Monat verliert Tina Klein alle Haare. Damals ist sie neun Jahre alt. Alopecia Areata heißt die Erkrankung. Die Ursachen - bisher noch unbekannt. Anfangs versteckt sich Tina unter einer Perücke, schämt sich dafür, keine Haare mehr zu haben. Versucht alles, um der gesellschaftlichen Vorstellung von Schönheit gerecht zu werden. 

Aber das Versteckspiel kostet Kraft, die Tina nicht mehr aufbringen möchte. Sie entscheidet sich, offen mit ihrem neuen Ich umzugehen und verzichtet - seit sie zwölf Jahre alt ist - auf die Perücke. Heute weiß sie: das war die beste Entscheidung ihres Lebens, denn Schönheit ist mehr als nur Haare.

WDR: Wie würdest du heute Schönheit definieren?

Tina Klein: Schönheit bedeutet für mich heute nicht nur das Äußerliche. Schönheit bedeutet für mich hauptsächlich, was man ausstrahlt, wie man sich selbst fühlt. Wenn jemand sich selbst sehr liebt, mit sich zufrieden ist, strahlt man eine viel krassere Schönheit aus als jemand, der sehr zurückhaltend ist und unzufrieden mit sich selbst ist. Selbstliebe definiert Schönheit. 

WDR: Die Haare zu verlieren - was hat das mit dir gemacht? 

Tina Klein: Ich habe mich fremd gefühlt. Der Blick in den Spiegel hat Angst gemacht. Ich hatte ja auch keine Augenbrauen und keine Wimpern mehr. Es war alles so nackt. Plötzlich war ich äußerlich ein anderer Mensch. Diese radikale Veränderung hat mich sehr verletzlich gemacht. Ich bin innerlich zerbrochen. 

WDR: Wie hast du die Gesellschaft damals wahrgenommen? 

Eine Frau steht in einer Menge mit einer Perücke in der Hand.

Tina Klein: Ich wurde von der Gesellschaft immer nur auf mein Äußerliches reduziert. Ich war entweder die mit der Glatze oder die mit der Perücke. Ich war immer in der Mitte des Geschehens - etwas, was ich nicht wollte.

Heute weiß ich, meine eigene Unsicherheit, meine Verletzlichkeit hat all das nur noch mehr angefeuert. Man wird nämlich nur so gesehen, wie man sich selbst wahrnimmt. Und damals habe ich mich hässlich, klein und hilflos gefühlt. Genau das hat die Gesellschaft wahrgenommen und mich auch so behandelt. 

WDR: Mit 12 Jahren hast du bewusst die Perücke weggelassen. Wie hat sich dein Leben seitdem verändert?

Tina Klein: Ich habe mich endlich frei gefühlt. Dieses Versteckspiel hat unendlich viel Kraft gekostet. Seitdem ich offen damit umgehe, habe ich endlich wieder gelernt, mich selbst bewusster wahrzunehmen, mich endlich wieder selbst zu lieben. Und das merken die anderen Leute, dass ich mir gefalle und dass ich meine Glatze auch gerne zeige.

Ich finde, ich strahle das einfach aus, dass es zu mir gehört und dadurch sind die Menschen auch ganz anders zu mir, sie haben auch viel mehr Respekt vor mir. Meine innere Einstellung zu mir hat meine Angriffsfläche deutlich kleiner gemacht. Man muss sich selbst schön fühlen, damit man auch anderen eine Chance gibt einen schön zu finden 

WDR: Theater, Modeln - etwas was früher unvorstellbar gewesen wäre, nicht wahr? 

Tina Klein: Ja, absolut. Ich wäre nie auf den Gedanken gekommen zu modeln, geschweige denn auf einer Theaterbühne zu stehen. Doch es hat mich noch stärker gemacht. Jedes Foto, jeder Auftritt ist wie eine kleine Therapie. Ein weiterer Schritt zu mir selbst.

Hände auf einem Kopf ohne Haare.

Auf der Bühne finde ich es vor allem klasse, dass mein Äußeres komplett in den Hintergrund rückt. Im Vordergrund steht die Rolle, die ich spiele. Die Menschen konzentrieren sich auf das, was ich sage, wie ich agiere. Das ist eine enorme Bereicherung. 

WDR: Was möchtest Du anderen mit auf den Weg geben? 

Tina Klein: Ich möchte, dass andere wissen, dass sie nicht alleine sind! Ich habe mich damals sehr einsam gefühlt. Doch andere Betroffene kennenzulernen, hat mir Mut gemacht. Es war sehr hilfreich, Erfahrungen auszutauschen und zu erkennen, dass ich nicht die einzige bin. Du bist nicht allein!