Theo Wehren war beliebt, in Bocholt-Barlo sogar hochverehrt. Dabei war der Priester ein pädophiler Intensivtäter. Seine Opfer fand er in dem damals von Nonnen geführten St. Josefs-Heim in Werne. Und weder die Kirche noch die Justiz taten offenbar etwas, um die Kinder zu schützen.
Hilfsbereit, aufgeschlossen und nett
"Kapi" wurde Theo Wehren liebevoll in Barlo genannt. Er galt als hilfsbereit, aufgeschlossen, ein netter Fußballtrainer. Und niemand erfuhr, dass er 1976 wegen Kindesmissbrauchs verurteilt worden war: 20 Fälle, begangen an fünf Jungen, wurden ihm zur Last gelegt. Die Strafe: ein Jahr auf Bewährung, 1000 Euro Geldbuße.
Kinder aus dem Heim geholt
Die zehn bis 14 Jahre alten Jungen lebten im Kinderheim St. Josef in Werne. Von dort holte "Kapi" die Kinder regelmäßig an den Wochenenden zu sich nach Hause. Und das tat er auch, nachdem er bereits verurteilt worden war. Bis Anfang der 90er Jahre kam er zum Kinderheim, wo die Schwestern schon zwei bis drei Jungen für den "Wochenendausflug" ausgewählt hatten.
Neuer Heimleiter stoppt Wochenendbesuche
"15 Jahre lang hätte man die Kinder besser schützen können", sagt der ehemalige Heimleiter Uwe Schenk: "Das Urteil ist aber nicht ans Heim weitergeleitet worden, und das macht einfach nur wütend." Schenk hatte erst Anfang der 90er Jahre die Leitung des Kinderheims übernommen und kurz darauf die Wochenendbesuche beim Pfarrer gestoppt. Seine Teamkollegen seien skeptisch geworden, weil Kinder von gemeinsamen Saunabesuchen mit dem Pfarrer berichtet hätten.
Angst vor einem "Riesenskandal"
Beim Bistum Münster und der Justiz war der Fall Theo Wehren dagegen gut bekannt. Richter Frajo Belting hatte den Priester 1976 verurteilt. Die Strafe sei nicht zu mild, sondern für die damalige Zeit sogar hoch gewesen, sagt der heute Neunzigjährige. Der Staatsanwalt habe das Urteil noch am Prozesstag persönlich zum Bistum Münster gebracht und dem Generalvikar überreicht. "Wir hatten vereinbart, dass wir die Sache streng vertraulich behandeln", sagt er. Wäre der Fall bekannt geworden, hätte das für einen Riesenskandal gesorgt, damit wäre aber auch die Geheimhaltungspflicht des Gerichts unterlaufen worden.
Kinder aus Tschernobyl
Der Historiker Michael Kertelge sieht das kritisch. Er hat die Akten zu dem Fall genau gelesen und glaubt, dass das ebenfalls katholisch geprägte Gericht den Priester nicht in einem schlechten Licht dastehen lassen wollte. Der Personalchef des Bistums habe sich Weihnachten 1976 sogar bei dem Richter bedankt, für "die große Mühe, die sich Richter und Staatsanwalt mit dem Verfahren gemacht haben.“
Weiterhin Zugang zu Minderjährigen
Priester Theo Wehren hatte jedenfalls weiterhin ungehindert Zugang zu Kindern. Nach dem Super-Gau im Atomkraftwerk Tschernobyl nahm er regelmäßig in den Ferien Kinder aus der Region bei sich auf: "Das ging bis 2003" sagt eine Organisatorin der Tschernobyl-Hilfsorganisation in Bocholt auf WDR-Nachfrage. Und im Kinderheim St. Josef in Werne wurde er sogar "für ein besonderes Jubiläum" geehrt. 20 Jahre lang sei "Kapi" ins Kinderheim gekommen, um "Kinder abzuholen fürs Wochenende oder für die Ferien" – schreibt eine Schwester im Tagebuch des Heims.
Ob es seit 1976 zu weiteren Taten gekommen ist, ist nicht bekannt. Wehren starb im Jahr 2011.