Erinnerung an NS-Zeit: Ausstellung zum Kaufhaus Grünebaum in Paderborn Lokalzeit OWL 25.07.2024 03:00 Min. Verfügbar bis 25.07.2026 WDR Von Kolja Selker

Erinnerung an NS-Zeit: Ausstellung zum Kaufhaus Grünebaum in Paderborn

Stand: 26.07.2024, 14:01 Uhr

Eines der ersten Kaufhäuser Deutschlands gehörte der jüdischen Familie Grünebaum. Ihnen ist jetzt eine Ausstellung gewidmet.

Von Kolja Selker

Anfang des vergangenen Jahrhunderts waren Kaufhäuser etwas Neues und Besonderes. In Paderborn gehörte eines der ersten der jüdischen Familie Grünebaum. Die Geschichte des Hauses und die damit verbundenen Schicksale der Grünebaums werden jetzt in einer neuen Ausstellung der Verbundvolksbank OWL aufgearbeitet.

Shopping-Revolution 1910

Als das Kaufhaus Steinberg und Grünebaum 1910 neu gebaut wurde, da war das eine kleine Shopping-Revolution. Vorher gab es alle Dinge des Alltags nur in Spezialgeschäften. Über Preise wurde immer verhandelt, und wer eine Hose oder einen Rock brauchte, musste sich das individuell anfertigen lassen.

Steinberg und Grünebaum hingegen lockte mit großen Schaufenstern, in denen eine große Palette angeboten wurde: Unterwäsche und Röcke, Hosen, Mäntel, Gardinen und Teppiche. Alles schon vorkonfektioniert, direkt zum Mitnehmen. Mit völlig neuartigen Fixpreisen, Umtauschrecht und Werbe-Wochen mit Sonder-Rabatten.

Großes Familientreffen der Nachfahren in Paderborn

Nun haben sich vor dem noch heute stehenden und imposanten Gebäude am Paderborner Rathausplatz 30 junge und ältere Angehörige der früheren Familie Grünebaum getroffen – extra aus den USA und aus Israel angereist. Sie fallen sich in die Arme und freuen sich gleichermaßen über das Wiedersehen und die Eröffnung der neuen Sonderausstellung.

 Erinnerungen der Nachfahren

Die Ausstelllung erinnert an den alten Glanz des Kaufhauses | Bildquelle: WDR

Steve Gray ist ein Enkel des Gründers. Der Psychologe aus den USA findet die neue Ausstellung zur Geschichte des Hauses und seiner Familie wichtig. "Das tut natürlich weh, daran zu denken. Aber wir müssen uns erinnern. Da gehts nicht darum, dass wir heute noch jemandem Schuld zuweisen. Die Geschichte zeigt, wie tief Menschen sinken können. Und dass wir nur mit Fürsorge und Aufpassen dafür sorgen können, dass sich sowas etwas niemals wiederholt. Wir müssen verstehen und lernen."

 Mutige Unternehmer – plötzlich terrorisiert und vertrieben

Ein Onkel von Steve Gray war Ludwig Grünebaum – ein Sohn des Kaufhaus-Gründers Siegmund Grünebaum. Er wurde im November 1938 von den Nazis in ein Konzentrationslager gebracht. Wie 30.000 andere jüdische Bürger.

Foto von Ludwig Grünebaum, Sohn des Kaufhausgründers, von den Nazis deportiert | Bildquelle: WDR

Das Paderborner Stadt- und Kreisarchiv mit seinem Leiter Wilhelm Grabe hat viele historische Dokumente zu der Familie gefunden. "Die Familie hat relativ früh erkannt, dass man hier keine Perspektive mehr hatte. Alle fünf damals noch lebenden Kinder des Gründers Siegmund Grünebaum konnten ausreisen. Aber ein paar Monate später gab es diese Möglichkeit dann für jüdische Mitbürger schon nicht mehr.

 Erzwungene Arisierung des Kaufhauses Grünebaum

Ein Exponat in der Ausstellung im ehemaligen jüdischen Kaufhaus in Paderborn | Bildquelle: WDR

Die Mitglieder der Familie Grünebaum mussten ihr Kaufhaus an arische, neue Besitzer verkaufen, mussten fliehen und verloren dabei alles. Die neuen Eigentümer feierten sich und das Kaufhaus wenig später mit einem Gruppenfoto der Belegschaft. Unter Hakenkreuzfahnen und mit NSDAP-Funktionären in der ersten Reihe, hinter ihnen ein großes Banner mit dem Spruch: "Freut euch des Lebens."

Wunden, die vielleicht nie heilen – und aus denen man lernen kann

Nachfahre Steve Gray sagt heute, nachdem er extra zur Eröffnung der Ausstellung auf eigene Kosten aus den USA hergeflogen ist: "Ich fühle keine Bitterkeit in mir. Das ist ein Teil der Geschichte. Wir müssen uns daran erinnern und daraus lernen. Die Geschichte kann uns für unsere Zukunft helfen. Wie wir uns in Zukunft entscheiden wollen. Nur den Schmerz darüber, was sich Menschen damals gegenseitig angetan haben, den fühle ich immer noch."

Die neue Ausstellung ist jetzt für zwei Monate im Foyer der Verbundvolksbank OWL in Paderborn zu sehen. Die Bank ist der neue Besitzer des Gebäudes und hat es jetzt offiziell umbenannt, in "Haus Grünebaum". 

Unsere Quellen:

  • WDR-Reporter vor Ort
  • Paderborner Stadt- und Kreisarchiv