Fahrradfahren in Lüdenscheid

03:11 Min. Verfügbar bis 25.04.2024

"Lebensmüde"?: Fahrradfahren in Lüdenscheid

Stand: 25.04.2023, 14:03 Uhr

Durchgefallen mit Schulnote 5,15: Lüdenscheid ist beim ADFC-Fahrradklima-Test im bundesweiten Vergleich auf dem letzten Platz gelandet. Ein Ortsbesuch:

Von Claudia Roelvenick

"Du fährst in Lüdenscheid Rad? Ernsthaft? Bist du denn lebensmüde?" So oder ähnlich hören es die wenigen Radfahrenden in Lüdenscheid aus dem Freundeskreis oder Kollegium. Es sind Äußerungen zwischen Unverständnis und Bewunderung.

Lüdenscheid war noch nie eine Stadt für Radfahrerinnen und Radfahrer. Seit die Rahmedetalbrücke auf der Autobahn 45 gesperrt ist und sich der Umleitungsverkehr mitten durch die Stadt quält, ist das kein bisschen besser geworden.

Lüdenscheider rechnen nicht mit Fahrradfahrern

Wer dennoch mit dem Rad fährt, kann über viele unschöne Situationen berichten. Von Radwegen, die abrupt enden, von ungeduldigen Autofahrern, die zu wenig Platz lassen, von zugeparkten Seitenstreifen.

Stau in Lüdenscheid

Seit die Autobahn dicht ist staut es sich in Lüdenscheid.

"In Lüdenscheid rechnen die Autofahrer nicht mit Radfahrern, weil sie immer noch relativ selten vorkommen. Viele fahren nicht mit dem Rad, weil es ihnen zu gefährlich ist." So schätzt es Axel Schiermeyer ein. Seit fast 30 Jahren fährt er in Lüdenscheid Rad. Nun sitzt er in einem Kölner Café und schreibt uns: "Ich beneide die Leute hier für ihre Fahrrad- Infrastruktur".

Die Lüdenscheider Radfahrenden, die vor kurzem eine eigene Ortsgruppe des ADFC gegründet haben, berichten unisono von Beinahe-Unfällen und davon, dass sie sich als Verkehrsteilnehmer komplett vernachlässigt fühlen. Es gehe seit Jahrzehnten schon nur darum, wie die Straßen für Autos ausgebaut werden können.

Autobahn führt quasi mitten durch die Stadt

Luftaufnahme der Rahmedetalbrücke in Lüdenscheid

Bis die neue Brücke steht ist für die Radfahrer kaum Besserung in Sicht.

Seit Dezember 2021 ist die A45, also die Sauerlandlinie, unterbrochen. Autos und Lkw suchen ihren Weg durch Lüdenscheid. Viele fahren seitdem nicht mehr mit dem Rad. Vor allem Schulkinder, weil es den Eltern viel zu gefährlich scheint. Durch die vielen Lkw ist es unübersichtlich geworden auf den Straßen, der Dauerstau lässt das Nervenkostüm bei vielen Verkehrsteilnehmern dünner werden. Es wird gedrängelt, gehupt, über Seitenstreifen gefahren.

Hebamme sattelt auf das Fahrrad um

Diana May-Ganswind, Hebamme aus Lüdenscheid

Diana May-Ganswind, Hebamme aus Lüdenscheid.

Diana May-Ganswind ist eine der wenigen, die seit der Brückensperrung aufs Rad umgestiegen ist. Die Hebamme hat sich ein E-Bike gekauft, um schneller am Stau vorbei zu kommen. Statt 60 Minuten mit dem Auto braucht sie nun manchmal nur zehn Minuten mit dem Rad.

Schild mit Aufschrift "Hebamme im Dienst"

Dank ihrem Schild sind Autofahrer viel freundlicher.

Ganz geheuer ist ihr das auch nicht immer: "Manchmal wird man angehupt. Dann erschrickt man so sehr, das finde ich gefährlich". Seit Diana May-Ganswind ein großes Schild mit der Aufschrift "Hebamme im Dienst" am Rad hat, läuft es besser.

Brückensperrung als Chance?

Der Dauerstau in Lüdenscheid durch die marode Autobahnbrücke ist eine zusätzliche Belastung für alle, die hier mit dem Rad fahren möchten. Die Brückensperrung könnte aber auch eine Chance sein. Wohl noch nie haben sich Planerinnen und Planer so intensiv mit der Verkehrssituation in Lüdenscheid beschäftigt. Womöglich ist jetzt ein guter Zeitpunkt, endlich auch die Wünsche der Radler für den Ausbau der Wege zu berücksichtigen.