Immer mehr Hersteller nehmen die Produkte vom Markt, die die Mediziner für die Operationen benötigen. Es sind zum Beispiel medizinische Hilfsmittel wie Stents, Katheter oder Ballons. Die Ärzte am Herz- und Diabeteszentrum NRW (HDZ) bangen nun um die Versorgung ihren jungen Patienten.
Improvisieren bei lebensrettenden Eingriffen
Auf dem Behandlungstisch liegt ein kleiner Junge. Vorsichtig schiebt Professor Stephan Schubert einen dünnen Kunststoffschlauch von der Leiste zum Herzen. Durch diesen Zugang kann er die notwendigen Instrumente für den geplanten Eingriff einführen.
Bei seinem Patienten will er ein verengtes Gefäß am Herzen aufdehnen und mit einem Drahtröhrchen, einem Stent, stabilisieren. Und dann passiert es. Der Ballonkatheter ist in der passenden Größe nicht mehr vorrätig.
"Bei solchen Eingriffen müssen wir immer öfter improvisieren", erklärt der Chefarzt am Zentrum für Angeborene Herzerkrankungen im Herz- und Diabeteszentrum. Es sei absehbar, dass lebenswichtige Eingriffe bei Kindern schon bald nicht mehr durchgeführt werden können. Der Grund: Bei immer mehr Instrumenten wie Katheter oder Stents läuft die Zulassung ab.
Komplizierte Zulassungsverfahren in der EU
Für die Neuzulassung schreibt die EU ein neues kompliziertes Verfahren vor. Mit aufwändigen Studien müssen die Hersteller die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit ihrer Medizinprodukte nachweisen. Das kostet schnell mehrere hunderttausend Euro pro Stück. "Auch Medizinprodukte, die wir schon seit 20 Jahren kennen und erfolgreich einsetzen, sind betroffen", kritisiert Professor Schubert.
Dabei waren die schärferen Zulassungsverfahren gut gemeint. Nach dem Skandal um schadhafte Brustimplantate wollte die EU mehr Patientensicherheit schaffen. Doch bei den Hilfsmitteln in der Kinderherzmedizin passiert nun das Gegenteil.
Die Instrumente für Eingriffe an Neugeborenen, Säuglingen und Kleinkindern werden einfach vom Markt genommen. Denn am Ende werden immer nur kleine Stückzahlen benötigt – und da scheuen die Hersteller den Aufwand bei der Zulassung.
Fehlende Innovation
"Wir wissen, wie wir Patienten mit angeborenen Herzerkrankungen helfen können", sagt Professor Schubert, "aber sobald die Zulassung ausläuft verschwindet ein Instrument nach dem nächsten aus unserer Werkzeugkiste." Und schlimmer noch: Die Hersteller verzichteten auch auf die Entwicklung neuer, innovativer Produkte. Die Kinderherzmedizin tappe quasi auf der Stelle.
Nun hofft der Chef der Kinderkardiologie am HDZ, dass bewährte Instrumente wenigstens eine Sonderzulassung bekommen. Erste Signale in diese Richtung könnten heute von der EU-Gesundheitsministerkonferenz kommen. Es geht um hunderte Hilfsmittel in der Kinderherzmedizin. Die Liste würde also ziemlich lang.
Über das Thema berichtet der WDR am 09.12.2022 in der Lokalzeit OWL.