Nägel und Reißzwecken: Streit um Fahrradstraße in Bielefeld eskaliert
Stand: 19.05.2023, 18:56 Uhr
Eine neue Fahrradstraße in Bielefeld sorgt für Ärger. Radfahrende bekommen mehr Raum. Aber einige finden das offenbar nicht so toll: Glasscherben, Nägel und Reißzwecken lagen auf dem Weg.
Von Uwe Pollmann
Sebastian Viand ist begeistert. Nur einige Meter von seinem Haus in Bielefeld-Mitte entfernt führt die neue Fahrradstraße vorbei. Beruhigt kann er gerade mit seiner Tochter Radfahren üben: "Ich persönlich finde Autos in der Stadt überflüssig. Wir haben unseres verkauft", sagt er: "Je weniger Autos, desto besser für uns."
Die Stimmung ist gespalten
Kein Kavaliersdelikt: Reißzwecken auf der Fahrradstraße
Doch nicht alle Anlieger der zwei Kilometer langen Radmeile sehen das so. Die Stimmung ist gespalten. Nicht nur, weil Unbekannte dort Reißzwecken und Scherben ausgelegt und sich damit strafbar gemacht haben.
Anwohner Alexander Romnov beklagt, dass viele Parkplätze weggefallen sind und es Einbahnstraßen-Regelungen und Diagonalsperren gibt: "Für die Anwohner ist das eine Katastrophe." Viele müssten Umwege fahren.
Auch Gewerbetreibende sind nicht immer überzeugt. Achim Benz arbeitet in einem der Geschäfte hier: "Ich fahre selbst Rad. Aber das geht nicht, dass hier die Wirtschaft komplett ausgebremst wird."
Vor allem die Sperren mit Pömpeln würden die Menschen aufregen, sagt Gabi Hehemann, die einen Kopierladen führt. Das sei "kritisch". Die Radstraße an sich sei "super" und soll bleiben.
Pendler sind begeistert
Jakub Seydioglu hat ein Geschäft an der Radstraße
Selbst ein Radgeschäft an der Fahrrad-Magistrale hält von den Sperren alle paar hundert Meter nicht viel. Geschäftsleiter Jakub Seydioglu: "Die Pömpel stören schon." Es habe Zusammenstöße damit gegeben, auch bei Radlern. Ansonsten biete die Radstraße aber Sicherheit, vor allem auch für Ältere.
Begeistert sind vor allem Pendler. "Finde ich wunderbar", ruft eine Radlerin im Vorbeifahren. "Wir dürfen nebeneinander fahren. Man muss Rücksicht auf uns nehmen." Auch die Initiative Bielefelder Radentscheid findet die Strecke unerlässlich.
Frauke Nierdieck
"Das ist die Hauptverbindungsachse von der Mitte in den Osten der Stadt", sagt Sprecherin Frauke Nierdieck: "Die Parallelstraßen taugen nicht zum Radfahren. Auf der einen ist kein Radweg vorhanden, auf der anderen gibt es ihn nur sporadisch."
Autoverkehr stark reduziert
Den Konflikt um die Radstraße findet Nierdieck "nicht so groß". Das werde vor allem durch Beiträge in den sozialen Medien aufgebauscht. Natürlich seien Parkplätze weggefallen - aber für Fußgänger, Radfahrende und Anwohner sei es auch ruhiger geworden.
Das bestätigt die städtische Auswertung einer ersten Testphase zwischen Oktober und April. Der Autoverkehr nahm um 60 Prozent ab, der Radverkehr um 15 Prozent zu. Auch im Quartier rundherum gebe es eine "Reduzierung des Kfz-Verkehrs".
Der Mobilitätsbeauftragte von Bielefeld, Patrick Kühn, macht aber auch deutlich, dass noch nichts in Stein gemeißelt sei. Mit Sicherheit gebe es Leute, die eher negativ eingestellt sind: "Da haben wir aber im Vorfeld viel Beteiligung gemacht und nehmen auch Anregungen und Kritiken sehr ernst. Und wir möchten auch möglichst schnell reagieren."
Fahrradstraße kommt - und weitere folgen
Bald soll sich klären, ob die Pömpel bleiben
Im Sommer gibt es weitere Resultate des Fahrradstraßenversuchs. Dann müsse die Politik entscheiden, wie die Radstraße aussehen soll - mit Pömpeln, mehr oder weniger Parkplätzen, Einbahnstraßenregelungen. Das Ziel sei aber, sie zu etablieren. Und dann soll es die nächsten Fahrradstraßen in Bielefeld geben.
Diejenigen, die die Fahrradstraße mit Reißzwecken und Glasscherben boykottieren wollten, müssen in jedem Fall mit Konsequenzen rechnen: Die Polizei ermittelt.
Über dieses Thema berichten wir am Freitag, 19.05.2023 im WDR Fernsehen: Lokalzeit OWL, 19.30 Uhr.