Maden kommen aus der Decke

Lokalzeit aus Düsseldorf 04.08.2023 02:31 Min. Verfügbar bis 04.08.2025 WDR Von Raphael Boch

Todesfall im Mietshaus: Was tun, wenn Leichen unentdeckt bleiben?

Stand: 07.08.2023, 19:54 Uhr

In Mönchengladbach wurde der Tod eines Mannes erst entdeckt, als Maden aus den Wänden kamen. Besteht in solchen Fällen eine Gesundheitsgefahr? Und wie verhindert man, dass es überhaupt so weit kommt? Fragen und Antworten.

Es ist eine traurige Geschichte: In einem Mehrfamilienhaus in Mönchengladbach-Odenkirchen blieb die Leiche eines Nachbarn einige Tage unentdeckt. In dieser Zeit war die Verwesung des Leichnams schon weit fortgeschritten. Durch Risse in der Wand gelangten zunächst unzählige Maden in die Nachbarwohnung. Inzwischen leiden die Hausbewohner unter einer intensiven Fliegenplage.

Was passiert mit einem Körper nach dem Tod? Wie kann man eine Wohnung nach einem solchen Ereignis wieder bewohnbar machen? Wer zahlt für die Reinigung und den Kammerjäger? Und wie kann jede und jeder dazu beitragen, dass so etwas im eigenen Haus nicht passiert? Fragen und Antworten.

Was passiert mit einer Leiche, wenn sie lange sich selbst überlassen bleibt?

Wie schnell ein Körper durch Fäulnis verändert wird, ist je nach Umweltbedingungen unterschiedlich. "Das hängt vor allem von der Temperatur in der Wohnung ab, außerdem davon, wie zugänglich der Leichnam ist", erklärt Philipp Markwerth, Rechtsmediziner an der Uniklinik Essen. Bei sommerlichen Temperaturen könne bereits nach zwei Tagen die Verwesung sehr weit fortgeschritten sein.

Zweiflügler Schmeißfliege

Schmeißfliegen sind Leichenbesiedler

Die ersten "typischen Leichenbesiedler" seien zum Beispiel Stuben- und Schmeißfliegen, erklärt Markwerth. Schon kurz nach dem Tod legten die Insekten ihre Eier in den Körperöffnungen des Leichnams ab. Bei warmen Verhältnissen könne sich schnell ein massiver Madenbefall entwickeln. Die Tiere ernähren sich von dem Toten und tragen damit zur weiteren Zersetzung des Leichnams bei. Nach einigen Tagen entwickeln sich aus den Maden Fliegen, die die ganze Wohnung bevölkern können.

"Wenn der Leichnam noch länger liegt, dann kommen andere Leichenbesiedler hinzu", sagt Markwerth, "das sind dann meistens Käfer".

Geht von der Leiche oder dem Ungeziefer eine Gesundheitsgefahr aus?

In der Regel nicht, sagt Rechtsmediziner Markwerth. "Es gibt kein Leichengift oder ähnliches." Selbst die meisten Krankheitserreger, die der Mensch vor seinem Ableben in sich trug, würden durch den Fäulnisprozess schnell inaktiviert. Auch die Maden und Fliegen, die von der Leiche ausgehen, seien in der Regel ungefährlich.

Allerdings könnten die Tiere Bakterien verteilen, die sich bei der Verwesung bilden. "Falls die Tiere mit Lebensmitteln in Kontakt kommen, kann das im Extremfall zu einer Lebensmittelvergiftung führen." Das gelte aber vor allem bei einem massenhaften Befall.

Wie kann man eine kontaminierte Wohnung wieder instandsetzen?

Nach einem solchen Todesfall wendet man sich besser an Spezialisten. Ein möglicher Ansprechpartner sind Tatortreiniger wie Silvia Schulz aus Herne. "Gewöhnlich werden wir in solchen Fällen von den Hausverwaltungen gerufen", erklärt Schulz. Selten seien solche Fälle leider nicht.

Portrait von Silvia Schulz

Tatortreinigerin Silvia Schulz

"Wir gehen in solche Wohnungen mit Vollschutz rein", erklärt Schulz, "besonders wichtig ist die 'Gasmaske', damit uns der Verwesungsgeruch nicht bei der Arbeit stört". Wie aufwändig der Auftrag wird, hänge sehr davon ab, wo genau der Mensch verstorben ist. "Wenn es im Badezimmer geschehen ist, dann ist die Reinigung meist recht unproblematisch." In anderen Räumen seien oft Möbel oder Teppiche durch Körperflüssigkeiten kontaminiert. "Das muss alles in die Müllverbrennungsanlage. Das kann man meist nicht mehr reinigen."

Für das Ungeziefer ist Schulz dabei nicht verantwortlich. "Da muss ein Spezialist ran, also ein Kammerjäger."

Wer bezahlt die Instandsetzung?

Anders als viele glauben, sind die Erben nicht für die Instandsetzung einer kontaminierten Mietwohnung verantwortlich. In einem Urteil von 2021 stellte das Landgericht Berlin klar, dass der Tod des Bewohners einer Mietwohnung "keine Pflichtverletzung des verstorbenen Mieters" darstelle. Daher müssten auch die Erben nicht für Reinigung und Ungezieferbekämpfung in der Mietwohnung aufkommen, sondern der Hausbesitzer (AZ: 66 S 7/21).

Wie verhindert man solche traurigen Fälle?

Im Idealfall achtet eine Hausgemeinschaft auf ihre alten und kranken Bewohner. Doch das kann in großen und anonymen Wohnsiedlungen schwierig sein, besonders dann, wenn der Betroffene sehr zurückgezogen lebt. Eine Lösung könnte zum Beispiel ein "Hausnotruf" sein, den Senioren am Körper tragen. Diese Geräte stellen im Notfall per Knopfdruck eine Verbindung zur Notrufzentrale her. Einmal am Tag drücken die Senioren die Taste, um anzuzeigen, dass alles in Ordnung ist. Bleibt diese Meldung aus, dann überprüft die Notrufzentrale vor Ort, ob es dem Bewohner gut geht.

Ansonsten sollten Nachbarn ein Auge offenhalten. Wird der Briefkasten regelmäßig geleert? Wird das Licht an- und ausgeschaltet? Wann hat man den Bewohner das letzte Mal gesehen? Reagiert der Bewohner aufs Klingeln? Falls Angehörige nicht erreichbar sind, sollten Nachbarn sich nicht scheuen, Feuerwehr oder Polizei zu alarmieren.

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