Rufe nach Panzerlieferungen für die Ukraine werden lauter

Stand: 12.09.2022, 19:04 Uhr

Können deutsche Panzer dabei helfen, den Ukraine-Krieg zu entscheiden? Die Forderungen nach weiteren Waffenlieferungen werden lauter – auch innerhalb der Regierungskoalition.

"Frieden schaffen ohne Waffen" – von diesem Spruch, der in den 80er-Jahren die Friedensbewegung geprägt hatte, ist derzeit wenig zu hören. Stattdessen wird nach dem erfolgreichen Vorstoß der ukrainischen Truppen im Osten des Landes der Ruf nach weiteren Waffenlieferungen aus dem Westen laut. Die Streitkräfte könnten weitere Geländegewinne erzielen, falls Kiew mehr leistungsstarke Waffen erhielte, sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj CNN.

Eine zentrale Rolle im Krieg können auch weiterhin westliche Waffensysteme spielen. Schon bei der jetzigen Offensive seien sie entscheidend gewesen, sagte der Militärexperte Carlo Masala von der Bundeswehr-Universität München dem WDR. Mit ihrer Hilfe habe man die russische Logistik entscheidend treffen können. Jetzt brauche die Ukraine andere Lieferungen. "Tempo spielt eine Rolle. Soldaten geschützt von A nach B zu bringen ist ein zentrales Element in der Offensive."

Strack-Zimmermann will "sofort" Leopard-Panzer liefern

Aktuell in der Diskussion sind westliche Panzer wie etwa Kampfpanzer vom Typ "Leopard" und Schützenpanzer vom Typ "Marder". Diese werden bislang nicht in die Ukraine geliefert. Doch das könnte sich ändern.

FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann forderte am Montagmorgen die umgehende Lieferung von Leopard-Kampfpanzern an die Ukraine. Es sei von hoher Relevanz, die Erfolge des äußerst kampfwilligen ukrainischen Militärs bei der Rückgewinnung der eigenen Gebiete durch die Lieferung solcher Panzer zu untermauern, sagt Strack-Zimmermann in der ARD. "Das ist unglaublich wichtig und sollte sofort passieren."

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Der Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour sprach sich ebenfalls für weitere deutsche Waffenlieferungen an die Ukraine aus. Diese sollten "nicht nur im Ringtausch, sondern wo möglich auch direkt aus den Beständen von Bundeswehr und Industrie geliefert werden", sagte er der "Augsburger Allgemeinen". Ob dies auch für Leopard- und Marder-Panzer gelten solle, ließ er offen. "Wir müssen uns im Verbund mit unseren Alliierten bewegen", sagte er. Das sei "wichtiger als die Debatte um einzelne Waffensysteme".

Scholz weicht Frage nach Kampfpanzerlieferungen aus

Auch der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil hat das Thema im Blick. Angesichts der aktuellen Erfolgsmeldungen aus der Ukraine müsse man im westlichen Bündnis bewerten: "Muss es jetzt weitere Waffenlieferungen geben?" Die internationale Abstimmung darüber müsse schnell passieren, so Klingbeil am Sonntag in der ARD.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wich am Montag auf die Frage nach der Bereitstellung westlicher Kampfpanzer aus. Es bleibe "bei der Haltung, die die deutsche Regierung seit Anfang an eingenommen hat und die auch für die Zukunft unserer Haltung sein wird, nämlich dass es keine deutschen Alleingänge gibt", sagte Scholz in Berlin.

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Kühnert befürchtet "völlig irrationales russisches Handeln"

Auch der SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert dämpfte etwaige Erwartungen. Genau wie Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) verwies er darauf, dass bislang kein Staat westliche Panzer in die Ukraine geliefert habe. Man wolle nicht "schleichend" hineingezogen werden in den Krieg und Russland dazu zu animieren "völlig irrational zu handeln und am Ende noch ganz andere Staaten anzugreifen", sagte Klingbeil dem Sender RTL/ntv.

"Wir könnten zweifellos wahrscheinlich mehr schwere Waffen liefern", sagte Burkhard Meißner, Oberst der Reserve und Vorstandsmitglied beim German Institute für Defence and Strategic Studies, dem WDR. Es werde allerdings nicht an allen Stellen und in allen Regionen so einfach sein, die Russen an ihre ursprünglichen Regionen zurückzuwerfen. Die Russen hätten sich an vielen Stellen im Donbass etabliert. "Die Krim zurückzuerobern wäre nochmal eine ganz andere Angelegenheit. Da bin ich skeptisch - und wäre das auch, wenn die Ukraine mit allen möglichen westlichen Waffen ausgestattet wäre."

Russland: Deutschland hat rote Linie überschritten

Der russische Botschafter in Berlin, Sergej Netschajew, hat bereits die bisherigen Waffenlieferungen an die Ukraine kritisiert. "Allein die Lieferung tödlicher Waffen an das ukrainische Regime, die nicht nur gegen russische Soldaten, sondern auch gegen die Zivilbevölkerung im Donbass eingesetzt werden, ist eine 'rote Linie', die die deutsche Regierung (...) nicht hätte überschreiten dürfen", sagte er der russischen Tageszeitung "Iswestija". Thorsten Benner vom Berliner Politik-Thinktank "Global Public Policy Institute" hält dagegen, dass eine intensivere Unterstützung der Ukraine dann auch keinen Unterschied mehr mache.

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Wie die russische Regierung auf weitere Lieferungen von womöglich noch schwererem Gerät reagieren würde, ist nicht absehbar. Ein Kommentator des "Wall Street Journal" sieht nach den ukrainischen Geländegewinnen am Wochenende die Gefahr, dass Putin "Atomwaffen einsetzen oder versuchen wird, die Nato direkt in den Konflikt hineinzuziehen". Der ehemalige russsische Präsident und Putin-Vertraute Dmitri Medwedew sagte Ende August, Russland habe derzeit nicht vor, Atomwaffen einzusetzen.

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