Türkei unzensiert - Exklusiv

Exklusiv | Özel: FETÖ-Polizisten schlagen FETÖ-Demonstranten! | Polisler FETÖ’cü, dövdükleri Geziciler de!

Stand: 06.06.2017, 01:17 Uhr

Einführung in das türkische Recht mit Burhan Kuzu*, Folge 101: FETÖ**-Polizisten schlagen FETÖ-Demonstranten! Vor 4 Jahren schlugen die Polizisten den Protest im Gezi-Park auf Anweisung von Erdogan mit unverhältnismäßiger Gewalt nieder. Heutzutage nennt Erdogan diese Polizisten „Terroristen/Gülenisten“. Kolumnist Bülent Mumay fragt: ''Wieso haben diese Polizisten, die angeblich Gülen-Anhänger sind, damals die Demonstranten halbtot geschlagen, wenn diese auch Gülen-Anhänger waren?"

Von Bülent Mumay

Gewaltätiges Vorgehen der Staatsmacht während der Gezi-Proteste

Die Grünen haben bei den letzten Landtagswahlen vor der Bundestagswahl empfindliche Stimmeinbußen erleben müssen. Besonders in NRW, wo es eine Richtungswahl gab, haben sie die Hälfte der Stimmen eingebüßt. Ein Grüner gab mir gegenüber offen zu: “Früher reichte es aus eine Politik zu betreiben, die von keiner anderen Partei so repräsentiert wurde, um Wählerstimmen zu bekommen. Inzwischen haben fast alle anderen Parteien unsere Ur-Themen wie Umwelt oder Geschlechtergleichheit auch in ihren Programmen. Zwischen uns und den anderen schmelzen die Unterschiede dahin.“

GANZ UNTEN, GANZ HINTEN…

Erst habe ich mich als ein Journalist aus der Türkei gewundert, dann war ich traurig. Natürlich für mein Land. Denn weder Geschlechtergleichheit, noch Umweltthemen sind primäre Politikfelder einer Partei im türkischen Parlament. In der Rangfolge einer Untersuchung zur Geschlechtergleichheit des World Economic Forum sind wir an 130. Stelle. Von 140 untersuchten Ländern! Bei der Untersuchung der Yale University zum selben Thema sind wir ganz unten. Rang 177 von 180. Die Statistiken wundern uns weder, noch sind sie unbegründet… Tagtäglich berichten Zeitungen über Frauenmorde. Verschärfungen der Gesetze und Maßnahmen dagegen sind umsonst. Unsere Bauunternehmer-Wirtschaft sorgt dafür, dass Grünflächen des Landes Tag für Tag weniger werden. Das neulich durch Stimmen der Regierungspartei verabschiedete Gesetz, wird zum größten Umweltmord in der Türkei werden. Olivenhaine dürfen ab sofort als Industrie- und Bergbaugebiete ausgewiesen werden. Pro Baum werden umgerechnet 1000 Euro fällig. Dann darf man die Umwelt massakrieren.

SING DU DEINE LIEDER...

Nicht nur Olivenbauern, sondern auch die Öffentlichkeit reagierte heftig auf dieses Gesetz. Darunter auch der populäre Sänger Tarkan. Er schrieb auf seinem Twitter-Account “Olivenbäume sind Anatoliens Schatz, die gemeinsame Erinnerung. Vernichtet sie nicht für Rendite”. Aber unsere Regierung reagierte prompt. Der größte Verfechter des Gesetzes, Industrieminister Faruk Özlü, antwortete dem Sänger: “Besitzt Tarkan Olivenhaine? Was will er damit anfangen? Wir lieben seine Lieder, soll er doch die singen”. Also sagte der Staat: Besitzt du keine Olivenhaine, misch dich auch nicht ein! Klar, auch bei AKWs darf man auch nur dagegen sein, wenn man professionell damit zu tun hat.

Das ist mitunter das letzte Beispiel für das, was uns an die hintersten Stellen auf den Umwelt-Statistiken katapultiert. Davor waren Zentausende auf die Strasse gegangen, als der damalige Ministerpräsident Tayyip Erdogan den Gezi-Park in Istanbul (Einer der letzten Grünflächen der Stadt) 2013 einem pseudo-historischen Gebäude opfern wollte. Die Proteste, die dann kamen, war einer der größten Widerstandsbewegungen der neueren türkischen Geschichte. Und natürlich war das auch eines der größten Gemetzel. Der Gezi-Park blieb vorerst grün, aber 10 junge Menschen verloren ihr Leben.

Jedes Jahr, zum Jahrestag greift die Regierung die Demonstranten vom Gezi-Park von neuem an. Präsident Erdogan, der vor vier Jahren die Demonstranten als Marodeure bezeichnete, beschimpfte sie nach vier Jahren auf eine ähnliche Weise: “Wir werden das Land, koste es was es wolle, nicht diesen Marodeuren überlassen und sie bis in alle Ewigkeit entschlossen bekämpfen.”

BEFEHLSEMPFÄNGER WAREN “FETÖ-MITGLIEDER”

Erdogan stellte sich damals auch vor die Polizei, die unverhältnissmäßig hart gegen die Demonstranten vorging: “Jetzt werden wir gefragt, wer hat das der Polizei befohlen? Ich war das. Hätten wir diesen Besatzungsmächten zuschauen sollen?” Nun aber sind die beiden Befehlsempfänger von damals, der Gouverneur und der Polizeipräsident von Istanbul in Haft. Sie werden beschuldigt der Fethullahistischen Terrororganisation(FETÖ) anzugehören.
Seltsam! Werden doch heutzutage auch die Unterstützer der Gezi-Proteste als Mitglieder oder Sympathisanten der FETÖ zu sein beschuldigt. Und das aus berufenem Munde, vom obersten juristischen Berater des Präsidenten, Professor Burhan Kuzu. Der sagt: “Wer die Gezi-Proteste unterstützt und befürwortet, ist ein FETÖ-Mitglied.” Kuzu, der auf etlichen Fotos mit Fethullah Gülen zu sehen ist, beschuldigt also die Demonstranten als FETÖ-Mitglieder, die von FETÖ-Polizisten geschlagen wurden, die wiederum als FETÖ-Mitglieder in Haft sind.

Da fragt man sich doch: Wenn die Polizisten Gülenisten waren, die heute Terroristen sind, wieso haben sie denen etwas befohlen? Wenn die Gezi-Demonstranten FETÖ-Mitglieder waren, wieso haben dann die FETÖ-Polizisten sie geschlagen, bis sie tot umgefallen sind? Ich glaube, das wird die schwierigste juristische Frage sein, an der sich Studenten des Jura-Professors Burhan Kuzu abarbeiten müssen.

*Burhan Kuzu ist Abgeordneter der AKP und berät Präsidenten Erdogan in juristischen Fragen. Der Verfassungsrechtler war auch der Vorsitzende der Verfassungskomission des türkischen Parlaments.

**FETÖ ist die abwertende, dennoch in der Türkei offizielle Bezeichnung für eine Terrororganisation, die vom Prediger Fethullah Gülen geleitet werden soll. Die Abkürzung steht für “Fethullahistische Terrororganisation” (Fethullahçı Terör Örgütü)