Super-Streiktag: NRW droht heute Verkehrschaos, Bahn stellt Fernverkehr ein

Stand: 27.03.2023, 06:23 Uhr

Menschen in ganz Deutschland müssen sich heute auf weitreichende Einschränkungen im Bahn-, Luft- und Nahverkehr sowie auf Wasserstraßen einstellen.

Mit einem großangelegten bundesweiten Warnstreik wollen die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) sowie Verdi am Montag große Teile des öffentlichen Verkehrs lahmlegen. Das teilten beide Organisationen in Berlin mit. "Es wird im gesamten Bundesgebiet zu starken Verzögerungen bis hin zum Erliegen der Verkehrsdienste in allen genannten Bereichen kommen", hieß es.

Der WDR berichtet am Streiktag ausführlich über alle aktuellen Entwicklungen in einem Live-Ticker. Außerdem wird es Sonderausgaben von "WDR aktuell" geben - jeweils um 8.55 Uhr und um 10.55 Uhr als Stream und im WDR-Fernsehen.

Tickets können storniert werden

Infolge des Streikaufrufs stellt die Deutsche Bahn (DB) ihren Fernverkehr "komplett" ein. Auch beim größten NRW-Nahverkehrsanbieter DB Regio NRW führen am Montag ab 0.00 Uhr "überhaupt keine Züge". Schienenersatzverkehr mit Bussen sei allein wegen des Umfangs und fehlenden Personals nicht möglich, sagte der Sprecher. Gebuchte Tickets für Montag und auch am Folgetag können demnach kostenlos storniert oder flexibel bis kommenden Samstag genutzt werden.

Wer ist von dem Super-Streiktag betroffen?

Für Arbeitnehmende wird es am Montag eine besonders knifflige Aufgabe, zur Arbeit zu kommen. Auch Reisende müssen sich auf massive Beeinträchtigungen einstellen.

Bahn: Neben dem Fern- und Regio-Verkehr bei der Deutschen Bahn werden auch keine S-Bahnen im Einsatz sein. Der DB-Konkurrent National Express teilte mit, dass sein Personal nicht streike. Allerdings nutze der Anbieter die DB-Schienenwege und rechne angesichts der geplanten Streiks in Stellwerken mit Ausfällen und Einschränkungen. Ein Busnotverkehr auf den wichtigen Linienabschnitten werde eingerichtet. Dasselbe gilt für die Rhein-Ruhr-Bahn. Auch hier sollen Busse eingesetzt werden.

Nahverkehr: Der ÖNPV soll flächendeckend bestreikt werden - es fahren also keine Busse und Bahnen. Das gilt nicht nur für NRW, sondern auch für Hessen, Baden-Württemberg, Sachsen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Bayern.

Flugverkehr: Auch Flugreisende werden Probleme haben, ihr Ziel zu erreichen. Denn Verdi ruft auch zu Arbeitsniederlegungen an mehreren Flughäfen auf - in NRW sind dies die Flughäfen Düsseldorf, Köln/Bonn und Dortmund. Letzterer sagte wegen des geplanten Streiks den Flugbetrieb für Montag komplett ab. Auch in Düsseldorf fällt wohl ein Großteil der Flüge wegen des Streiks unter anderem der Verwaltung und des Sicherheitspersonals aus. Am Flughafen Köln/Bonn beginnt der Streik bereits am Sonntagabend um 22 Uhr und zieht sich in Teilbereichen ebenfalls bis in den Dienstagmorgen. Wie viele Flüge ausfallen, lasse sich am Freitag noch nicht beziffern, sagte ein Flughafensprecher. Es sei jedoch mit einer großen Anzahl zu rechnen. Passagiere sollten sich dringend vorab über den Status ihres Fluges informieren.
Am Frankfurter Flughafen findet kein regulärer Passagierverkehr statt, teilte die Betreibergesellschaft Fraport mit. Der Flughafen München stellt am Sonntag und Montag den Passagier- und Frachtverkehr ein.

Straßen und Autobahnen: Der ADAC rechnet damit, dass auf den Straßen in NRW viel los sein wird. Vor allem rund um Köln und im Ruhrgebiet, insbesondere auf der A40 zwischen Duisburg und Essen, könne es "schwere Verkehrsbehinderungen" geben. Auch die Autobahngesellschaft soll bestreikt werden, ebenso wie die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung.

Polizei will auf Lkw-Fahrverbot verzichten: Auf den Autobahnen in Nordrhein-Westfalen werden morgen ausnahmsweise Lkw fahren. Das soll helfen, die Straßen beim Warnstreik am Montag zu entlasten. Die Polizei in NRW will an diesem Sonntag auf die Durchsetzung des üblichen Fahrverbots für Lastwagen verzichten. Sie kommt damit einer Bitte von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) nach. Auch Spediteure und Handel hatten sich dafür stark gemacht. Das könne es ermöglichen, einige Transporte vorzuziehen.

Auch die Polizei in Baden-Württemberg will nicht kontrollieren. Die rheinland-pfälzische Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt (FDP) hat eine Ausnahme vom Sonntagsfahrverbot für Laster erlassen.

Straßentunnel: In Hamburg wird am Montag der Elbtunnel nicht befahrbar sein. In NRW sollen die Tunnel für den Autoverkehr offen sein.

Häfen und Schleusen: Auch die Beschäftigten an kommunalen Häfen und Schleusen etwa in Duisburg, Minden und im Münsterland sind zum Streik aufgerufen.

Muss ich zur Arbeit oder zur Schule?

Ja, grundsätzlich müssen sich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer selbst darum kümmern, wie sie zur Arbeit kommen. Die Verbraucherzentrale rät, mit dem Arbeitgeber zu klären, ob Homeoffice eine Alternative wäre. Ansonsten müssen Beschäftigte mit dem Rad, Auto, Leihwagen oder mit einer Mitfahrgelegenheit versuchen, zur Arbeitsstelle zu kommen. Wer seinen Arbeitsplatz nicht pünktlich erreicht, muss laut Gesetz die Zeit nachholen oder Urlaub nehmen.

Viele Eltern fragen sich zudem, wie ihre Kinder am Montag zur Schule kommen sollen. Das NRW-Schulministerium gibt dazu eine klare Antwort: "Am kommenden Montag findet Schule statt", heißt es auf WDR-Anfrage. Nach Paragraf 43 des NRW-Schulgesetzes bestehe "bei im Vorfeld angekündigten Ereignissen wie einem Streik des öffentlichen Nahverkehrs und daraus eventuell resultierenden Beeinträchtigungen" weiterhin Schulpflicht. Alle Infos für Eltern mit schulpflichtigen Kindern gibt es hier:

Wo stehen die Verhandlungen bei der Bahn?

Die EVG hatte Ende Februar die Verhandlungen mit der Deutschen Bahn und rund 50 weiteren Eisenbahn-Unternehmen begonnen. Ein erstes Angebot des bundeseigenen Konzerns hatte die Gewerkschaft vergangene Woche abgelehnt. Sie fordert mindestens 650 Euro mehr Lohn. Bei den höheren Entgelten strebt sie eine Steigerung um zwölf Prozent an bei einer Laufzeit des Tarifvertrags von zwölf Monaten.

Die Bahn hatte unter anderem angeboten, die Löhne der rund 180.000 betroffenen Beschäftigten in zwei Schritten um insgesamt fünf Prozent anzuheben sowie Einmalzahlungen von zusammen 2.500 Euro in Aussicht gestellt.

Wie ist der Verhandlungsstand im öffentlichen Dienst?

Die Blicke richten sich nach Potsdam. In angespannter Lage beginnt hier am Montag die auf drei Tage angesetzte dritte Verhandlungsrunde für die 2,5 Millionen Beschäftigten von Bund und Kommunen. Verdi und der Beamtenbund dbb fordern 10,5 Prozent mehr Einkommen, mindestens aber 500 Euro mehr im Monat.

Die Arbeitgeber bieten bisher aber nur fünf Prozent in zwei Schritten und Einmalzahlungen in Höhe von insgesamt 2.500 Euro - für die Gewerkschaften "eine Zumutung", wie sie sagen.

Wie eskalationsbereit zeigen sich die Gewerkschaften?

Verdi-Chef Frank Werneke scheint seine Gewerkschaft durch die vielen Aktionen der vergangenen Wochen geradezu beflügelt zu sehen - auch Kitas, Kliniken und viele andere Bereiche waren betroffen. "Der Frühling naht, und es kann sein, dass wir uns dann hier noch einmal wiedersehen müssen", sagte er etwa in Köln auf einer von vielen Kundgebungen. Bereits zuvor hatte er Spekulationen über ein mögliches Scheitern angestellt.

dbb-Chef Ulrich Silberbach sagte am Mittwoch bei einer Kundgebung in Berlin: "Vor allem die Komplettverweigerung der Kommunen, einen Mindestbetrag auch nur in Erwägung zu ziehen, steht dabei jeder Annäherung im Weg." Wie der Tarifexperte Schulten erläutert, hat die Friedenspflicht bereits mit dem Auslaufen des bisherigen Tarifvertrags geendet. Rechtlich stehe Warnstreiks auch während der Verhandlungen nichts im Weg. Auch die EVG betonte zuletzt immer wieder ihre Bereitschaft zum Warnstreik als "letztes Mittel".