Portrait von Michael Schumacher.

Nach Fake-Schumacher-Interview: Chefredakteurin muss gehen

Stand: 22.04.2023, 08:20 Uhr

Dass die Regenbogenpresse bisweilen Unwahres verbreitet, ist nicht neu. Dass dabei KI zum Einsatz kommt schon. Ein Fake-Interview mit Michael Schumacher hat nun rechtliche Konsequenzen - und auch personelle.

Nachdem die Geschichte in der Welt ist, meldet sich der Verlag zu Wort. "Dieser geschmacklose und irreführende Artikel hätte nie erscheinen dürfen. Er entspricht in keiner Weise den Standards von Journalismus, wie wir - und unsere Leserinnen und Leser - ihn bei einem Verlag wie Funke erwarten", sagt Funke-Zeitschriften-Geschäftsführerin Bianca Pohlmann. Die Mediengruppe hat sich außerdem bei Michael Schumachers Familie entschuldigt und personelle Konsequenzen gezogen. "Die Aktuelle“-Chefredakteurin, Anne Hoffmann, muss nach einem Fake-Schumacher-Interview gehen. Was genau ist da passiert?

Der mehrfache Formel-1-Weltmeister Schumacher lebt seit einem schweren Ski-Unfall im Jahr 2013 zurückgezogen. Über seinen Gesundheitszustand ist wenig bekannt. Keine Interviews, keine Statements. Wie es ihm geht? Ist seine Privatsache. Darauf legt seine Familie sehr viel wert. Man konnte also durchaus skeptisch sein, als "Die Aktuelle" vergangene Woche auf ihrer Titelseite "Das erste Interview" mit Michael Schumacher ankündigte und das Ganze als "Welt-Sensation!" anpries.

Boulevardblatt spricht von "Welt-Sensation"

"Die Aktuelle" veröffentlichte den Artikel mit einem Schumacher-Bild und dem vermeintlichen Zitat "Mein Leben hat sich total verändert". Eingeleitet wird der Text mit dem Worten: "In einem Interview steht er zum ersten Mal seit seinem schweren Ski-Unfall Rede und Antwort". An mehreren Stellen des Artikels wird suggeriert, dass mit Schumacher gesprochen wurde. Unter anderem heißt es dort, man liefere "erlösende(n) Antworten auf die brennendsten Fragen, die sich die ganze Welt schon so lange stellt".

Interview mit einem Chat-Programm statt mit Schumacher selbst

Die Quelle der Aussagen? "Das Interview war im Internet", heißt es dort. Und weiter: "Auf einer Seite, die mit Künstlicher Intelligenz, kurz KI genannt, zu tun hat." Das Interview wurde also nicht mit Schumacher selbst geführt, sondern den Angaben zufolge mit einem Chat-Programm namens "character.ai". Dennoch deutet "Die Aktuelle" im Artikel an, dass die Antworten möglicherweise von Schumacher kommen könnten. "Doch woher weiß diese KI die persönlichen Hintergründe? Über Ehe, Kinder und Krankheiten? (...) War es wirklich Schumi selbst, der aus dem Krankenbett heraus die Infos eintippte?"

Schumacher-Familie will juristisch gegen Bericht vorgehen

Nachdem zuerst das Medienportal "Übermedien" von dem Artikel berichtet hatte, zog die Geschichte schnell weitere Kreise, bis hin zur britischen BBC. Und auch Schumachers Anwälte planen offenbar gegen die Berichterstattung vorzugehen. Die Familie werde rechtliche Schritte gegen "Die Aktuelle" einleiten, sagte Schumachers Managerin Sabine Kehm.

Die Funke Mediengruppe hatte auch schon mal Ärger mit der Schumacher-Familie: So musste Funke 2017 eine Entschädigung von 60.000 Euro an Schumachers Frau Corinna zahlen, weil die Mediengruppe in mehreren Zeitschriften, darunter auch "Die Aktuelle", private Fotos von ihr veröffentlicht hatte.

"Besonders bemerkenswerte Frechheit"

Papst Franziskus mit mit weißer Daunen Jacke

Fake-Papst mithilfe von KI

Nach dem Fake-Foto des Papstes in der Daunenjacke haben wir es nun also mit einem Fake-Interview zu tun, das mit KI erstellt wurde. Das Urteil ist nahezu einhellig. Für Medienkritiker Boris Rosenkranz ist die Geschichte "eine besonders bemerkenswerte Frechheit, selbst für die 'Die Aktuelle'". Und auch WDR-Internetexperte Jörg Schieb sieht in dem Artikel "Dreistigkeit und Geschmacklosigkeit".

Regenbogenpresse hat meist ältere Leserschaft

In diesen Fällen war der Fake noch relativ schnell zu erkennen. Doch die KI-Technik wird schnell besser, die Fälschungen immer überzeugender. Ein Grund, wieso sich auch der deutsche Ethikrat unlängst mit dem Thema befasste. Man beobachte eine Tendenz, dass sich "sensationell wirkende Falschinformationen" gerade in den Sozialen Medien besonders schnell verbreiteten. Und selbst wenn es Korrekturen und "Moderationsversuche" gebe: Diese könnten bei der "Eindämmung von Falschnachrichten oft kaum mithalten", heißt es in einer Stellungnahme.

Bunte Zeitschriften in einer Bahnhofsbuchhandlung

Boulevardzeitschriften: Große Auswahl im Regal

Auch in diesem Fall stellt sich die Frage, wie viele der meist älteren Leserinnnen und Leser der "Aktuellen" erkennen, dass an dem Schumacher-Interview nichts Wahres dran ist. Und dass es nicht wenige Leserinnnen und Leser sind, zeigt ein Blick in die Zahlen der Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern (IVW). Laut diesen lag die verkaufte Auflage der "Aktuellen" Ende 2022 bei knapp 230.000 Exemplaren.

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