Immer mehr Innenstädte im Ruhrgebiet bieten ein tristes Bild: Geschäfte schließen teilweise schon um 16 Uhr, Ladenlokale stehen über Monate und sogar Jahre leer, große Händler wie Galeria Karstadt Kaufhof oder Peek & Cloppenburg sind in der Insolvenz. Allein in Essen steht mehr als jedes zehnte Geschäft leer – in anderen Städten sogar noch mehr. Diese Entwicklungen führten nicht nur unsere Gäste auf die WDR 5-Bühne, sondern auch viele Interessierte ins Publikum in der Essener VHS.
"Eigentlich hatte die Essener Innenstadt mal viel zu bieten, inzwischen ist es aber trostlos und grau - und man fühlt sich unsicher", berichtet ein Essener im Publikum. Eine andere Zuhörerin sagt, vor zwanzig Jahren sei es hier wirklich toll gewesen, aber: "Alle guten Läden sind weg, wir habe inzwischen nur noch Ein-Euro-Läden, Billigst-Läden." Andere berichten, dass sie lieber in anderen Städten shoppen – oder im Internet.
Städte müssen neu sortiert werden
Sätze, die Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU) auf dem Podium nicht gerne hört, aber offensichtlich verstehen kann. Trotzdem möchte er solche Entwicklungen nicht in erster Linie an einer falscher Stadtplanung, sondern vor allem an der allgemeinen Entwicklung im Einzelhandel festmachen.
Entsprechend arbeite man an schon länger Konzepten, die City zu beleben. Als Beispiel führt Kufen das frühere Galeria-Kaufhaus am Hauptbahnhof an, das aktuell umgebaut wird zu einem Haus mit Markthalle, kleinen Geschäften, Büros und Arztpraxen. Auch die Zentralbibliothek werde jetzt in die City umgesiedelt, neue Spielflächen für Kinder und auch mehr Gastronomie geschaffen, so der Oberbürgermeister: "Wir sortieren unsere Innenstadt gerade."
Andere Bereiche oft attraktiver
Dass das bitter nötig zu sein scheint, unterstrich Podiumsgast Robin. Der Gestalter der lokalen Instagram-Seite "Essen diese" saß maskiert in der Runde und auch nur sein Vorname sollte genannt werden. Die Macher der Seite geben in der Öffentlichkeit seit Beginn ihrer Aktivitäten ihre Identität nicht preis.
Die Rüttenscheider Straße im Essener Süden als Weggehmeile nannte Robin als Beispiel, das etwa die jüngeren Menschen anziehe. Die Innenstadt sei voll mit Systemgastronomien, wenig Individualität, wenig Anziehungskraft. Auch Plätze zum Verweilen und Angebote, für die man kein Geld ausgeben muss, würden fehlen.
Stadt der Zukunft in Quartieren?
Man müsse in Zukunft mehr Identifikationsorte in den Innenstädten schaffen, warf Christiane Marks in die Runde. Sie ist Geschäftsführerin der Agentur IMORDE aus Münster, die schon seit Jahren viele NRW-Städte zu Neuentwicklungen in der Geschäfts- und Kultur-Welt berät. Auch Essen.
Kleine Hotspots mit Kneipen und Geschäften und Orten zu Verweilen seien der Trend für die Städte, so Marks.
Mehr Angebote für Familien
Dass die Innenstädte in Zukunft nicht mehr unbedingt das Zentrum des Handels sein werden, stellte auch Kerstin Groß, Geschäftsführerin der IHK Essen, Mülheim, Oberhausen, in Aussicht. Dennoch betonte sie, es gäbe weder ein Handel ohne Stadt noch eine Stadt ohne Handel. Groß betonte aber die Tendenz, dass sich in Zukunft mehr in die Stadtteile verlagern werde. Ein Prozess übrigens, der sich aus der Stadtgesellschaft selber heraus entwickle.
Ein zentraler Faktor sei dabei, vor allem mehr Angebote für Familien mit kleinen Kindern in der City zu bieten, damit sich diese in den Innenstädten länger aufhalten würden. Auch Projekte wie Urban Gardening oder mehr Arbeitsstätten in der City selbst und nicht in Industriegebieten, seien wichtig, so Groß. Ein Prozess, der auch durch mehr Bürgerbeteiligung noch gefördert werden könne, so der Tenor in der Sendung.
Viele Perspektiven, viele Möglichkeiten für die Innenstädte, die im WDR 5 Stadtgespräch an diesem Abend aufgemacht worden sind. Alle haben eine gemeinsame Botschaft: Es gibt noch viel zu tun für die Städte!