Stadtgespräch Essen: Wie kriegen wir wieder Leben in unsere Citys?

Stand: 11.01.2024, 22:59 Uhr

Das WDR 5 Stadtgespräch aus Essen stellte die Frage "Wie kriegen wir wieder Leben in unsere Citys?". Lebendig war zumindest schon einmal die Diskussion auf der Bühne und im Publikum.

Von Daniel Chur

Immer mehr Innenstädte im Ruhrgebiet bieten ein tristes Bild: Geschäfte schließen teilweise schon um 16 Uhr, Ladenlokale stehen über Monate und sogar Jahre leer, große Händler wie Galeria Karstadt Kaufhof oder Peek & Cloppenburg sind in der Insolvenz. Allein in Essen steht mehr als jedes zehnte Geschäft leer – in anderen Städten sogar noch mehr. Diese Entwicklungen führten nicht nur unsere Gäste auf die WDR 5-Bühne, sondern auch viele Interessierte ins Publikum in der Essener VHS.

Stadtgespräch aus Essen: Innenstädte im Ruhrgebiet WDR 5 Stadtgespräch 11.01.2024 55:53 Min. Verfügbar bis 10.01.2026 WDR 5

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Viele Fragen und Meinungen im Publikum | Bildquelle: WDR

"Eigentlich hatte die Essener Innenstadt mal viel zu bieten, inzwischen ist es aber trostlos und grau - und man fühlt sich unsicher", berichtet ein Essener im Publikum. Eine andere Zuhörerin sagt, vor zwanzig Jahren sei es hier wirklich toll gewesen, aber: "Alle guten Läden sind weg, wir habe inzwischen nur noch Ein-Euro-Läden, Billigst-Läden." Andere berichten, dass sie lieber in anderen Städten shoppen – oder im Internet.

Städte müssen neu sortiert werden

Sätze, die Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU) auf dem Podium nicht gerne hört, aber offensichtlich verstehen kann. Trotzdem möchte er solche Entwicklungen nicht in erster Linie an einer falscher Stadtplanung, sondern vor allem an der allgemeinen Entwicklung im Einzelhandel festmachen.

"Das Thema Einkaufen hat sich ein Stückweit ins Internet verlagert. (...) Solche Bilder vom Schlussverkauf, wo die Verkäuferinnen die Türen zuhalten mussten, weil die Kunden alle in den Laden wollten, die gibt es ja heute nicht mehr." Thomas Kufen, Oberbürgermeister Essen

Entsprechend arbeite man an schon länger Konzepten, die City zu beleben. Als Beispiel führt Kufen das frühere Galeria-Kaufhaus am Hauptbahnhof an, das aktuell umgebaut wird zu einem Haus mit Markthalle, kleinen Geschäften, Büros und Arztpraxen. Auch die Zentralbibliothek werde jetzt in die City umgesiedelt, neue Spielflächen für Kinder und auch mehr Gastronomie geschaffen, so der Oberbürgermeister: "Wir sortieren unsere Innenstadt gerade."

Andere Bereiche oft attraktiver

Dass das bitter nötig zu sein scheint, unterstrich Podiumsgast Robin. Der Gestalter der lokalen Instagram-Seite "Essen diese" saß maskiert in der Runde und auch nur sein Vorname sollte genannt werden. Die Macher der Seite geben in der Öffentlichkeit seit Beginn ihrer Aktivitäten ihre Identität nicht preis.

"Es gibt viele Orte in Essen, wo man gut Zeit verbringen kann, aber die sind nicht in der Innenstadt." Robin, Essen diese

Die Rüttenscheider Straße im Essener Süden als Weggehmeile nannte Robin als Beispiel, das etwa die jüngeren Menschen anziehe. Die Innenstadt sei voll mit Systemgastronomien, wenig Individualität, wenig Anziehungskraft. Auch Plätze zum Verweilen und Angebote, für die man kein Geld ausgeben muss, würden fehlen.

Stadt der Zukunft in Quartieren?

Man müsse in Zukunft mehr Identifikationsorte in den Innenstädten schaffen, warf Christiane Marks in die Runde. Sie ist Geschäftsführerin der Agentur IMORDE aus Münster, die schon seit Jahren viele NRW-Städte zu Neuentwicklungen in der Geschäfts- und Kultur-Welt berät. Auch Essen.

"Wir müssen weg von diesen großen, langen Fußgängerzonen – und mehr dahin, Innenstadt in kleinen Quartieren zu denken." Christiane Marks, Agentur IMORDE

Kleine Hotspots mit Kneipen und Geschäften und Orten zu Verweilen seien der Trend für die Städte, so Marks.

Stadtgespräch "Wie kriegen wir wieder Leben in unsere Citys?" am 11.01.24 in Essen | Bildquelle: WDR

Mehr Angebote für Familien

Dass die Innenstädte in Zukunft nicht mehr unbedingt das Zentrum des Handels sein werden, stellte auch Kerstin Groß, Geschäftsführerin der IHK Essen, Mülheim, Oberhausen, in Aussicht. Dennoch betonte sie, es gäbe weder ein Handel ohne Stadt noch eine Stadt ohne Handel. Groß betonte aber die Tendenz, dass sich in Zukunft mehr in die Stadtteile verlagern werde. Ein Prozess übrigens, der sich aus der Stadtgesellschaft selber heraus entwickle.

"Die Menschen machen die Stadt - und nicht der Handel." Kerstin Groß, IHK Essen, Mülheim, Oberhausen

Ein zentraler Faktor sei dabei, vor allem mehr Angebote für Familien mit kleinen Kindern in der City zu bieten, damit sich diese in den Innenstädten länger aufhalten würden. Auch Projekte wie Urban Gardening oder mehr Arbeitsstätten in der City selbst und nicht in Industriegebieten, seien wichtig, so Groß. Ein Prozess, der auch durch mehr Bürgerbeteiligung noch gefördert werden könne, so der Tenor in der Sendung.

Viele Perspektiven, viele Möglichkeiten für die Innenstädte, die im WDR 5 Stadtgespräch an diesem Abend aufgemacht worden sind. Alle haben eine gemeinsame Botschaft: Es gibt noch viel zu tun für die Städte!