In Tokio gib es sie, und die Grünen in Berlin wollen sie nach mehreren Übergriffen auf Frauen und einer Vergewaltigung in der U-Bahn-Linie 3 auch: Abteile, die zu bestimmten Zeiten Frauen vorbehalten sind, sodass sie sich im ÖPNV abends und nachts sicherer fühlen. Kein Zutritt für Männer.
Mehr als 50 Prozent der Frauen meiden nachts den ÖPNV
Dass viele Frauen dieses Gefühl der Sicherheit nicht haben, ist bekannt. Das Bundeskriminalamt und Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) haben bereits vor zwei Jahren eine Studie vorgestellt, wonach mehr als die Hälfte der Frauen nachts nicht in öffentliche Verkehrsmittel steigen, weil sie sich unsicher oder sogar bedroht fühlen.
Können eigene Waggons für Frauen diese Angst auflösen? Iko Tönjes, Sprecher des NRW-Landesverbandes vom Verkehrsclub Deutschland (VCD), sagt, dass man im Verband bereits Überlegungen in diese Richtung angestellt habe. Frauen-Abteile könnten aber nur ein Element einer Sicherheitskette sein.
"Gut beleuchtete Räume" erhöhen Sicherheitsgefühl
"Idealerweise fühlt sich eine Frau von Haustür zu Haustür sicher", sagt Tönjes. Ein Waggon - videoüberwacht und direkt hinter dem Fahrer -, der signalisiert "Stopp, hier kommen nur Frauen rein", könne hilfreich sein, "aber alleine reicht das nicht". Der VCD-Sprecher empfiehlt beispielsweise, den Einsatz von Künstlicher Intelligenz in Erwägung zu ziehen, mit deren Hilfe sich in Kamera-überwachten Bereichen Gefahren erkennen ließen.
Bei Etta Hallenga, Mitarbeiterin der Frauenberatung in Düsseldorf, hält sich die Begeisterung für ein separates Frauen-Abteil in Grenzen. Sie würde andere Dinge bevorzugen: "Gut beleuchtete Räume" könnten das Sicherheitsgefühl schon erheblich steigern: "Wir hören von Frauen immer wieder, dass etwa Zugänge zu Straßenbahnen zu dunkel und unübersichtlich sind." Das könne man ändern, und von hellen Haltestellen würde jeder profitieren - nicht nur Frauen.
Sexuelle Übergriffe bis hin zur Vergewaltigung
An die Frauenberatung in Düsseldorf wenden sich laut Hallenga viele Frauen nach sexuellen Übergriffen in Bus und Bahn. Diese reichten von verbaler Belästigung über Exhibitionisten bis hin zur Vergewaltigung. Selbst eine sexuelle Belästigung durch einen der Fahrer an einer Endstation sei schon vorgekommen.
Die objektive Gefahr, Opfer von Gewalt zu werden, sei nachts für Männer zwar größer, sagt Tönjes, aber der VCD-Sprecher und Hallenga sind sich einig, dass allein die Angst vieler Frauen, nachts den ÖPNV zu nutzen, inakzeptabel sei. Die Zahl der sexuellen Übergriffe in Bussen und Bahnen bezifferte die NRW-Landesregierung im Januar mit 1.078 von 2018 bis 2022.
Hallenga wünscht sich Gesellschaft mit mehr Zivilcourage
Trotz der großen Angst und der tatsächlichen Übergriffe hält Hallenga eine "Separierung" von Frauen in eigenen Waggons nicht für die beste Lösung: "Man muss etwa aufpassen, dass Frauen hinterher nicht vorgeworfen wird, wenn sie in gemischten Abteilen zu Opfern werden." Sie hätten sich ja in das Frauen-Abteil setzen können. So drohe eine Umkehr der Schuldfrage, der Frauen bei sexuellen Übergriffen oft ausgesetzt seien.
Hallenga betont, dass es eine "hundertprozentige Sicherheit" nicht gebe, aber dass Frauen sich im öffentlichen Raum sicherer fühlten, sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Neben der besseren Beleuchtung für ein höheres Sicherheitsempfinden setzt sie vor allem auf eine Förderung der Zivilcourage in der Gesellschaft: "Hinsehen, eingreifen und was machen. Man muss sich nicht selber in Gefahr bringen, man kann die 110 anrufen." Nur Nichtstun dürfe keine Option sein.
Ähnlich wie Hallenga sieht auch der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen nicht primär den ÖPNV, sondern vor allem die Gesellschaft in der Pflicht: "Wir müssen in allen Lebensbereichen gegen sexualisierte Gewalt vorgehen. Präventiv und restriktiv", sagte VDV-Geschäftsführer Alexander Möller am Mittwoch.
Unsere Quellen:
- Gespräch mit Etta Hallenga von der Frauenberatung Düsseldorf
- Gespräch mit Iko Tönjes, Sprecher des NRW-Landesverbandes vom Verkehrsclub Deutschland
- Bundeskriminalamt
- Nachrichtenagentur dpa
Über dieses Thema berichteten wir im WDR am 13.11.2024 auch im Fernsehen: Aktuelle Stunde, 18.45 Uhr.