Mouhamed Dramés Bruder Sidy und dessen Familie haben auf die Anklage gewartet. Sie haben gehofft, dass der Fall vor Gericht kommt: "Das ist eine gute Nachricht für die ganze Familie, dass es Gerechtigkeit geben wird und sich die Polizisten vor Gericht werden verantworten müssen", erzählt Sidy im Gespräch mit dem WDR.
Innenminister vertraut auf Justiz
Auch NRWs Innenminister Herbert Reul (CDU) betont, dass es wichtig sei, den Fall "lückenlos aufzuklären" und "Klarheit zu schaffen": "Klarheit für die Angehörigen, aber auch Klarheit für die beschuldigten Polizistinnen und Polizisten. Und ich will auch wissen, was da in Dortmund genau passiert ist." Dabei vertraue er auf die Justiz, so der Innenminister.
Reul mache der Einsatz und seine Folgen immer noch tief betroffen: "Der Tod des jungen Mannes in Dortmund ist tragisch, der Schmerz für die Angehörigen sicher unendlich."
Polizeigewerkschafter begrüßt Anklage
Ähnlich äußert sich Michael Mertens, der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in NRW. Er begrüßt die Anklage ausdrücklich. Eine öffentliche und lückenlose Aufklärung sei man den Menschen - insbesonderen den Angehörigen von Mouhamed Dramé schuldig.
"Ich finde es wichtig, dass wir uns jetzt die Zeit nehmen, das Gerichtsverfahren abzuwarten. Dann können wir die richtigen Schlüsse und Lehren draus ziehen", betont Mertens. Das Verfahren sei aber auch eine große Belastung für die Angeklagten.
Kriminologe: Anklagen gegen Polizisten selten
Kritiker hatten im Vorfeld Zweifel an einer lückenlosen Aufklärung des Falls geäußert. Zweifel, die der Kriminologe Tobias Singelnstein verstehen kann: "Dass jetzt hier in dem Fall Anklage erhoben wird, ist durchaus ungewöhnlich. Das kommt relativ selten vor." Zwar werde in Fällen tödlicher Polizeigewalt standardmäßig ermittelt, trotzdem komme es selten zu einer Anklage.
Laut Singelnstein landen gerade mal zwei Prozent der Verdachtsfälle von rechtswidriger Polizeigewalt auch vor Gericht. Auch die Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung sei geringer als im Durchschnitt. Diese läge normalerweise bei 80 Prozent, so der Kriminologe. "Bei der Körperverletzung im Amt ist diese Quote deutlich niedriger. Es kommt häufiger zu Freisprüchen oder auch zur Einstellung im Hauptverfahren als im Durchschnitt aller Fälle."
Mögliche Versäumnisse in der Polizeiausbildung?
Für Rafael Behr, früher selbst Polizist und jetzt Professor an der Akademie der Polizei Hamburg, ist die Anklage ein Zeichen für einen funktionierenden Rechtsstaat: "Die Polizei ist nicht unantastbar, sondern jeder, der Gewalt anwendet, muss sich vor dem Gesetz verantworten."
Für Behr steht der Fall auch für Versäumnisse in der Ausbildung von Polizisten: "Wir haben hier eine Abfolge von Mitteln gesehen. Die fangen an mit dem Pfefferspray, gehen dann über den sogenannten Taser, bis hin zum Einsatz der Maschinenpistole. Das ist eine Abfolge, die geübt wird." Weniger stark - "bis überhaupt nicht" würde aber die Deeskalation geübt, so Behr.
Kritik an Innenminister Reul
Im WDR 5-Morgenecho kritisierte Behr auch Innenminister Herbert Reul, der die Beamten zunächst gestützt hatte. Der Polizei tue man damit keinen Gefallen, sagte Behr: "Das Vertrauen in die Polizei schwindet natürlich in dem Maß, wie dann stückchenweise immer mehr zugegeben werden muss, dass das, was am Anfang als Notwendigkeit dargestellt wurde, nachher gar nicht so war."
Die Polizisten täten ihm außerdem leid. "Die wollten ja nicht töten, aber sie sind in ein Dilemma geraten, aus dem sie nachher nicht mehr herauskamen, weil sie nichts anderes gelernt haben."
Der Fall Mouhamed Dramé wird am 23.03. Thema im WDR5 Stadtgespräch sein. Die Veranstaltung findet im Dortmunder Reinoldinum statt, der Eintritt ist frei. Das Stadtgespräch startet um 20:00 Uhr, der Einlass beginnt um 19:15 Uhr.