Es ist ein Novum für Deutschland: Zum ersten Mal ist ein katholischer Bischof im Zusammenhang mit den Fällen sexualisierter Gewalt in der katholischen Kirche zurückgetreten. Franz-Josef Bode hatte ein entsprechendes Gesuch beim Papst eingereicht. Begründung: "Insbesondere im Umgang mit Fällen sexualisierter Gewalt durch Kleriker habe auch ich selbst lange Zeit eher die Täter und die Institution als die Betroffenen im Blick gehabt."
Der Papst hat nun dieser Bitte entsprochen, wie der Vatikan mitteilte. Die Reaktionen waren geteilt: Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, nahm den Rücktritt mit "großem Bedauern und Respekt" zur Kenntnis, zeigte aber Verständnis für "die Entscheidung und die damit verbundenen Konsequenzen".
Johannes Norpoth, Sprecher des Betroffenen-Beirats der Bischofskonferenz, sagte dagegen dem WDR: "Für die Betroffenen und die Kirche ist heute ein guter Tag." Er schlug den Bogen auch gleich weiter, fragte, welche Bedeutung die Annahme des Rücktrittsgesuchs hat: "Spielt Verantwortung in Missbrauchsfragen nun doch eine Rolle? Oder wird hier ein liberaler Bischof aus dem Amt entlassen, während der konservative Kölner Bischof noch im Amt bleibt?"
Der Kardinal als Bremsklotz
Gemeint ist Rainer Maria Kardinal Woelki, der im Erzbistum vor allem wegen seines Umgangs mit Missbrauchsfällen in der Kritik steht. Im Februar 2022 hat er Franziskus seinen Rücktritt angeboten, der hat aber noch nicht darüber befunden. Über die Gründe dafür wird spekuliert. Christina Zühlke, die seit Jahren die Debatten über die Missbrauchsfälle für den WDR verfolgt, nennt eine Theorie: "Vielleicht sollte der konservative Bischof Woelki bisher als eine Art Bremsklotz in der Bischofskonferenz und beim Synodalen Weg dienen" - also den Reformprozess erschweren, den die katholische Kirche in Deutschland eingeleitet hat.
Warum ist Woelki noch im Amt?
Die Vollversammlungen zum Synodalen Weg sind seit Mitte März abgeschlossen. Wäre damit der Weg frei für den Papst, auch Woelkis Gesuch anzunehmen - und ist Bodes Amtsverzicht ein Signal in diese Richtung? Zühlke ist zurückhaltend: Zum einen ist Woelki jung, Rücktrittsgesuche werden normalerweise erst angenommen, wenn der Bischof 75 Jahre alt ist. Dass Bode schon vorher gehen durfte, liege vermutlich an seinem schlechtem Gesundheitszustand.
Zum anderen hätte der Papst schon mehrfach Anlass gehabt, sich von Woelki zu trennen: "Die Visitatoren waren da und haben seine Amtsführung begutachtet", sagt Zühlke. "Jetzt ermittelt sogar die Staatsanwaltschaft gegen ihn. Aber passiert ist immer noch nichts." Noch bleibt es also dabei: Der Fall Bode ist ein Einzelfall.
Rücktrittsangebote deutscher Bischöfe
Katholische Bischöfe können laut Kirchenrecht nicht einfach wie Politiker ihr Amt niederlegen. Sie müssen stattdessen dem Papst ihren Rücktritt anbieten, der darüber befindet. In den zurückliegenden zwei Jahren haben im Rahmen des Missbrauchsskandals die Kardinäle Woelki (Köln) und Reinhard Marx (München), Erzbischof Stefan Heße (Hamburg) und die Kölner Weihbischöfe Ansgar Puff und Dominikus Schwaderlapp ein solches Rücktrittsgesuch nach Rom geschickt. Papst Franziskus beließ sie bisher alle im Amt.
Der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode hatte im Herbst vergangenen Jahres nach der Vorstellung von ihn belastenden Studienergebnissen Rücktrittsforderungen zunächst zurückgewiesen. Die Kritik an ihm riss aber nicht ab. Zuletzt hatten Betroffene ihn im Vatikan angezeigt, weil er einen Fall gänzlich falsch eingeschätzt habe. Wann genau Bode eine Kehrtwende einlegte und dem Papst seinen Amtsverzicht - wohl auch aus gesundheitlichen Gründen - unterbreitete, ist nicht bekannt.