In der Salvatorkirche direkt neben dem Duisburger Rathaus waren die Angehörigen zunächst unter sich. Traditionell findet dort am Jahrestag der Loveparade eine nicht-öffentliche Andacht statt.
"Uns wird immer wieder gesagt, wie wichtig es ist, dass wir auf Wunsch der Eltern auch jetzt im 13. Jahr diese Andacht machen", sagt Jürgen Widera, evangelischer Pfarrer und im Vorstand der Stiftung "Duisburg 24.7.2010".
Die Stiftung organisiert zusammen mit dem Verein "Bürger für Bürger" das Gedenken, kümmert sich um den Erhalt der Gedenkstätte und ist Anlaufstelle für alle Betroffenen. "Wir wollen ein Stück Versöhnung herstellen zwischen Duisburg und denen die Opfer geworden sind", ergänzt Widera.
"Wir können den Schmerz nicht nehmen"
An der Gedenkstätte am Tunnel folgte eine 30-minütige öffentliche Gedenkfeier. Jürgen Thiesbonenkamp aus dem Kuratorium der Stiftung sagte, dass die Tragödie vom 24. Juli 2010 noch immer eine offene Wunde in der Geschichte der Stadt Duisburg sei.
Man könne den Verlust der geliebten Menschen nicht rückgängig machen, aber umso wertvoller seien die schönen gemeinsamen Erinnerungen, so Thiesbonenkamp weiter. Emotionaler Höhepunkt waren die 21 Glockenschläge - einer für jedes Todesopfer der Loveparade vor 13 Jahren.
Es flossen Tränen bei den Anwesenden, viele hielten sich an den Händen. Bis auf die australischen Hinterbliebenen waren Angehörige aus allen Heimatländern angereist. Die meisten bleiben bis Dienstag in Duisburg.
Zukunft der Gedenkveranstaltungen
"Mittlerweile kommen nicht mehr alle Familien jedes Jahr nach Duisburg", sagt Jürgen Widera von der Gedenk-Stiftung. Er ist in ständigem Kontakt mit den Angehörigen und es zeichnet sich ab, dass die Gedenkveranstaltungen in Zukunft anders ablaufen könnten.
"Der Wunsch ist, dass wir bis zum 15. Jahrestag in der jetzigen Form weitermachen. Wie es dann weitergeht, werden wir mit den Familien und der Stadt gemeinsam entscheiden."
Nacht der 1.000 Lichter
Traditionell hatte schon am Vorabend des eigentlichen Jahrestages die "Nacht der 1000 Lichter" stattgefunden. Helfer hatten viele hundert Kerzen und Grablichter aufgestellt. Bei der Gedenkfeier am Vorabend gibt es keine Reden oder Musik, es ist der stille Auftakt des Erinnerns an die Tragödie von vor 13 Jahren.
Auf dem Gehweg im Tunnel sind einige Grablichter so angeordnet, dass sie den Schriftzug "24.7.2010" bilden – den Tag, als aus der Techno-Party eine Katastrophe wurde.
Petra Scholten und ihr Mann Thomas Schmeing sind zum ersten Mal zur Gedenkveranstaltung gekommen. Petra Scholten erinnert sich: "Ich war damals mit meiner Tochter hier, da war sie 13 Jahre alt. Wir waren gerade auf dem Weg zum Gelände, aber als wir von weitem diese Menschenmasse vor dem Tunnel gesehen haben, sagte meine Tochter: "Lass uns lieber nicht da hingehen." Da sind wir umgedreht."
Tunnel wurde zur Falle
Auch ohne die Erinnerung an die Loveparade ist der Tunnel kein Ort, an dem man sich gerne aufhält. Etwa 300 Meter ist er lang, 20 Meter breit, dabei gerade 4 Meter hoch.
Alle paar Meter sind Graffitis an die Wände gesprüht. Die Lampen an der Decke erhellen den Tunnel kaum. Das einzige Tageslicht fällt dort herein, wo sich die Rampe zum Party-Gelände befindet.
Erinnerungen an der Rampe
Am Fuß der Rampe befindet sich die Gedenkstätte. Eine große, stählerne Wandtafel erinnert an die 21 Opfer. "Liebe hört niemals auf", steht dort in den sechs Muttersprachen. Vor der Tafel stehen Grablichter, viele Engelsfiguren und ein Verkehrsschild auf einem halb abgeknickten und verrosteten Mast.
Gleich daneben führt die steile, schmale Treppe nach oben. Über diesen Ausweg hatten viele versucht, dem Gedränge zu entkommen. Auf den Stufen stehen 21 Holzkreuze, die an die Opfer erinnern. Eines davon erinnert an Christian Müller.
Gemeinsam trauert man leichter
Christian war damals 25 Jahre alt. Seine Mutter Gabi Müller kommt jedes Jahr aus Hamm zur Gedenkveranstaltung nach Duisburg. "Die ersten Jahre hat es mir Angst gemacht, hierher zu kommen", sagt sie. Aber mittlerweile wisse sie, dass dieser Ort wichtig ist für das Erinnern. So sähen es auch andere Hinterbliebene und Angehörige.
Über die Jahre sei man zu einer Gemeinschaft geworden. "Wir haben ja alle dasselbe Schicksal." Zu den Familien der anderen Todesopfer habe sie regelmäßig Kontakt, nicht nur an den Jahrestagen.
Kein Vertrauen in die Stadt Duisburg
Auch Jürgen Widera ist zur "Nacht der 1.000 Lichter" gekommen. Der evangelische Pfarrer war zehne Jahre lang Ombudsmann bei der Stadt – also die Anlaufstelle für alle Angehörigen und Betroffenen.
Gerade am Anfang gab es viel Groll gegen die Stadt, erinnert er sich: "Das Vertrauen war gleich Null. Es gab viel Wut und auch Hass gegen die Stadt Duisburg und einige Angehörige lehnen auch heute noch jeden Kontakt zur Stadt kategorisch ab."
Die meisten seien aber inzwischen überzeugt, dass die Stadt die Erinnerung wach halten möchte. Dazu gehöre auch die "Nacht der 1.000 Lichter" und die offizielle Gedenkfeier am Jahrestag selbst. "Vor allem die Andacht in der Salvatorkirche ist für viele Angehörige wichtig", sagt Widera.
Immer wieder Vandalismus
Dazu gehört auch die Überlegung, wie man mit Verwüstungen an der Gedenkstätte umgeht. In den letzten Jahren kam das immer wieder vor, zuletzt Mitte Juni. Da hatten Unbekannte Grablichter umgeworfen und Kreuze zerstört. Darum denkt die Stiftung über eine Videoüberwachung nach.
Gabi Müller spricht für viele: "Mir fehlt dafür jedes Verständnis. Das Foto meines Sohnes wurde auch zertreten. Ich habe dann einen Bekannten gebeten, das Foto zu entfernen. Es ist schlimm genug, wie er gestorben ist."
"Diese Wut wird mich wohl nie loslassen"
Zum Jahrestag rückt auch wieder die große Frage in den Vordergrund: Wer ist für die Katastrophe verantwortlich? Der ohne Urteil zuende gegangene Prozess brachte keine Antwort. Jürgen Widera von der Stiftung sagt: "Es wäre für die Angehörigen wichtig gewesen."
Gabi Müller bestätigt das, gleichzeitig klagt sie aber auch an: "Es ist dieser bittere Beigeschmack, dass es auch keine politische Aufarbeitung gegeben hat. Und diese Wut, die wird mich wohl nie loslassen."