24.07.2010 - Loveparade in Duisburg
Was als große Party begann, endete in der Katastrophe: Bei der Loveparade in Duisburg verloren 21 Menschen ihr Leben. Hunderte wurden verletzt, Tausende traumatisiert. Was ist seitdem geschehen?
28.07.2010 - Jäger sieht Verantwortung bei Veranstalter
Wenige Tage nach der Katastrophe stellt NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) die ersten Ermittlungsergebnisse vor. Dabei macht er den Loveparade-Veranstalter für die Massenpanik verantwortlich: Die Veranstaltungsagentur Lopavent von Rainer Schaller habe die Vorgaben seines Sicherheitskonzeptes nicht eingehalten. Die bei der Loveparade eingesetzten Polizeibeamten seien ursprünglich ausschließlich für den nicht abgesperrten Bereich außerhalb des Festgeländes zuständig gewesen.
31.07.2010 - Bewegende Trauerfeier
Tausende nehmen bei einer Trauerfeier in Duisburg Abschied von den Opfern. Der damalige Bundespräsident Christian Wulff und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprechen den Angehörigen ihr Mitgefühl aus. Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) hält eine bewegende Trauerrede in der Duisburger Salvatorkirche.
01.09.2010 - Gegenseitige Schuldzuweisungen
In einem Gutachten des NRW-Innenministeriums sehen die Bonner Verwaltungsrechtler Thomas Mayen und Frank Hölscher die primäre Verantwortung für die Katastrophe beim Veranstalter Lopavent. Aber auch die Stadt Duisburg wird kritisiert. Sie hätte prüfen müssen, ob die im Sicherheitskonzept des Veranstalters vorgesehenen Maßnahmen geeignet seien, die Sicherheit der Veranstaltung und ihrer Besucher zu gewährleisten. Die Stadt weist hingegen in einem eigenen Abschlussbericht jede Verantwortung für die Katastrophe zurück.
13.09.2010 - Sauerland übersteht Abwahlantrag
Die Abstimmung im Duisburger Stadtrat endet mit 41 zu 28 Stimmen überraschend deutlich: Duisburgs Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) kann im Amt bleiben. Vorerst zumindest. Das Stadtoberhaupt war wegen einer desaströsen Pressekonferenz direkt nach dem Unglück und seinem Verhalten in den Tagen danach in die Kritik geraten.
Der 55-Jährige tauchte nach der Katastrophe ab. Er wolle sich "zum Schutz seiner Mitarbeiter" nicht äußern, hatte Sauerland stets betont. In einem Fernseh-Interview erklärte er zwar, es tue ihm "unendlich leid", dass "Menschen zu Schaden gekommen" seien. Er wolle aber so lange im Amt bleiben, bis die Verantwortlichkeit für das Unglück geklärt ist.
18.01.2011 - Staatsanwaltschaft ermittelt
Die Staatsanwaltschaft Duisburg nimmt Ermittlungen gegen den damaligen Einsatzleiter der Polizei sowie gegen Mitarbeiter der Stadt und des Veranstalters Lopavent auf. Sauerland und Lopavent-Chef Rainer Schaller gehören nicht zu den Beschuldigten.
11.07.2011 - Sauerland entschuldigt sich
Kurz vor dem ersten Jahrestag der Loveparade-Katastrophe übernimmt Duisburgs OB Sauerland die moralische Verantwortung: "Als Oberbürgermeister dieser Stadt trage ich moralische Verantwortung für dieses Ereignis", so Sauerland. "Es ist mir ein persönliches Bedürfnis, mich an dieser Stelle bei allen Hinterbliebenen und Geschädigten zu entschuldigen." Zudem wird ein Zwischenbericht der Staatsanwaltschaft öffentlich. Demnach hätte die Techno-Party gar nicht genehmigt werden dürfen.
12.02.2012 - Duisburger wählen Sauerland ab
Viele Duisburger sehen in Sauerland den politisch Verantwortlichen für die Loveparade. In einem Bürgerentscheid stimmen 129.800 Wähler gegen seinen Verbleib im Amt - 91.000 hätten für eine Abwahl gereicht. Damit muss Adolf Sauerland seinen Posten als Oberbürgermeister verlassen. Im Juli wird Sören Link (SPD) zu seinem Nachfolger gewählt.
17.02.2012 - Gutachten der Staatsanwaltschaft
Keith Still ist Experte für das Verhalten großer Menschenmengen. Der britische Wissenschaftler hat Karten, Diagramme, Fotos und Videos aus der Planungsphase und von dem Tag des eigentlichen Unglücks analysiert. In einem im Auftrag der Staatsanwaltschaft erstellten Gutachten kommt er zu dem Schluss, dass die Katastrophe vorhersehbar war.
24.07.2013 - Gedenkstätte eröffnet´
Am dritten Jahrestag der Katastrophe wird eine neue Gedenkstätte am Unglücksort eröffnet. Lange hatten die verschiedenen Opfergruppen und der Besitzer des Grundstücks, ein Möbelhausinvestor, um die Ausgestaltung des Geländes gerungen. Nun erinnern 21 Holzkreuze und eine Gedenktafel an die Opfer. In den kommenen Jahren wird die Gedenkstätte mehrfach verwüstet, zuletzt im Mai 2020.
11.02.2014 - Staatsanwaltschaft erhebt Anklage
Dreieinhalb Jahre nach der Loveparade-Katastrophe erhebt die Staatsanwaltschaft Duisburg Anklage. Ursprünglich wurde gegen 16 Verantwortliche ermittelt, zehn sollen sich nun vor Gericht verantworten. Nicht darunter: Ordnungsamtsdezernent Wolfgang Rabe und weitere leitende Mitarbeiter des Ordnungsamt, der Polizeiführer am Veranstaltungstag und der Crowd-Manager von Lopavent. Auch Veranstalter Rainer Schaller und Ex-OB Adolf Sauerland sollen lediglich als Zeugen vernommen werden.
05.04.2016 - Landgericht weist Klage ab
Das Landgericht Duisburg weist allerdings die Anklage zurück. Sie sei mangelhaft. Die Staatsanwaltschaft legt daraufhin Beschwerde beim OLG Düsseldorf ein. Auch die Angehörigen der Toten setzen sich weiter für einen Strafprozess ein. Sie sammeln 362.000 Unterschriften für die Eröffnung des Loveparade-Prozesses.
18.04.2017 - Beschwerde erfolgreich
Das Düsseldorfer Oberlandesgericht gibt der Beschwerde der Staatsanwaltschaft statt. Das Gericht hält eine Verurteilung der zehn Angeklagten wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung "für hinreichend wahrscheinlich". Der Strafprozess kann damit beginnen.
08.12.2017 - Strafprozess startet
Weil in Duisburg kein geeigneter großer Gerichtssaal zur Verfügung steht, findet der Strafprozess in der Düsseldorfer Messe statt - mit zehn Angeklagten, 32 Verteidigern und 65 Nebenklägern mit ihren Anwälten. Die Strafkammer arbeitet in doppelter Besetzung, um auf mögliche Ausfälle vorbereitet zu sein. Im Mai 2018 erklärt Ex-OB Adolf Sauerland, "nicht aktiv" an den Planungen zur Loveparade mitgewirkt zu haben. Und auch Veranstalter Rainer Schaller betont, an konkreten Entscheidungen nicht beteiligt gewesen zu sein. Der WDR begleitet das Verfahren mit einem Prozess-Tagebuch.
06.02.2019 - Verfahren teilweise eingestellt
Nach 101 Verhandlungstagen endet für die sechs Mitarbeiter der Stadt Duisburg und einen des Veranstalters Lopavent der Prozess ohne Urteil. Das Gericht stellt das Verfahren gegen sieben der zehn Angeklagten ohne Auflagen ein. Drei Lopavent-Mitarbeiter sollen eine Geldauflage akzeptieren. Doch die spekulieren auf Freispruch oder Verjährung - und wollen weiter verhandeln.
07.04.2020 - Strafkammer will Verfahren beenden
Wegen des Risikos von Infektionen mit dem Coronavirus kann das Verfahren nur eingeschränkt durchgeführt werden, die Loveparade-Hauptverhandlung musste deswegen bereits unterbrochen werden. Die Vorwürfe der fahrlässigen Tötung verjähren allerdings Ende Juli. Das Gericht hält es für unwahrscheinlich, den Sachverhalt bis dahin aufzuklären - und hat deshalb vorgeschlagen, das Loveparade-Verfahren einzustellen. Staatsanwaltschaft und auch die Angeklagten müssten allerdings zustimmen.
04.05.2020 -Strafprozess wird eingestellt
Einer der aufwendigsten deutschen Gerichtsprozesse der Nachkriegszeit endet nach 184 Prozesstagen ohne Urteil. "Wir stellen ein, weil wir der festen Überzeugung sind, dass die Schuld der Angeklagten gering ist", so der Vorsitzende Richter Mario Plein. Das Loveparade-Unglück wäre eine Katastrophe ohne Bösewicht: "Wir haben ihn jedenfalls nicht gefunden." Viel Zeit zum Suchen blieb dem Gericht aber auch nicht mehr: Die Vorwürfe gegen die verbliebenen drei Angeklagten wären Ende Juli 2020 verjährt.