NRW- Flutgedenkstätte in der Kritik

Lokalzeit aus Bonn 28.09.2023 03:11 Min. Verfügbar bis 28.09.2025 WDR Von Marius Reichert

Streit um Flut-Gedenkstätte in Blankenheimerdorf

Stand: 28.09.2023, 17:17 Uhr

In Gedenken an die Opfer der Flut vor über zwei Jahren hat die NRW-Landesregierung eine Gedenkstätte in der Nähe von Blankenheim errichtet. Doch viele Hinterbliebene äußern daran Kritik. 

Von Marius Reichert

Sie alle haben einen ihrer liebsten Menschen verloren: ihre Tochter, ihre Freundin. Es ist das erste Mal, dass sie öffentlich darüber sprechen. Vier Angehörige von Flutopfern aus ganz NRW treffen sich am offiziellen Gedenkort in Blankenheimerdorf in der Eifel. 49 Bäume hat das Land auf einem riesigen Feld gepflanzt - für jedes Todesopfer einen. Zum zweiten Jahrestag hatte Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) diesen Ort offiziell eingeweiht.

Zu weit weg, zu laut

Menschen stehen an der Gedenkstätte.

Die Angehörigen vermissen die Namen ihrer Verstorbenen

"Ich möchte hier gerne in Ruhe an meine Tochter denken, aber bei dem Lärm geht das nicht“, sagt Elke Giesa, die bei der Flut ihre Tochter Laura verloren hat. Der Gedenkort liegt zwischen zwei Bundesstraßen. "Ich habe eine Kerze mitgebracht“, sagt Thomas Malsbender. Aber man sehe sie nicht, weil das Gras überall wuchere. "Man hat das Gefühl, dass die Verantwortlichen diesen Ort geschaffen haben und sich danach niemand mehr drum kümmert“, sagt Thomas Alzer. Es sind Vorwürfe wie diese - und sie machen diese Angehörigen wütend. Sie hätten sich gewünscht, involviert worden zu sein. Dass man sie gefragt hätte: Wie wollen wir an die Opfer der Flut erinnern? 

Keine Beschilderung 

Wer den Ort finden will, muss sich im Internet erkundigen. Denn auf Schildern steht in Blankenheimerdorf nichts von dieser Gedenkstätte. Die Sitzbänke ragen dazu in die falsche Richtung - weg von den Bäumen, die erinnern sollen. Warum das so ist, darauf antwortet die Staatskanzlei: „Es sollten Bäume gepflanzt werden, die an die bei der Flut ums Leben gekommenen Menschen erinnern. Mit Bäumen als Zeichen des Lebens sollte zugleich auch ein Ort der Hoffnung und der Zuversicht entstehen“, teilte ein Sprecher auf WDR-Anfrage mit. 

Klaus Jansen engagiert sich seit der Flut für Hinterbliebene. Der ehemalige Polizist ist gut vernetzt, versucht die Anliegen zu adressieren. Er hat den Eindruck, dass die Familien und Freunde der Flutopfer keine Lobby mehr haben: "Politiker heute sind nicht mehr die Landesväter von damals - dieses Thema wird von der Politik besetzt. Und das war’s“, meint er. 

Eigene Gedenkorte zur Flut 

In Swisttal-Odendorf haben er und sein Team andere Wege gesucht, um zu gedenken. Tamara Kopelke zündet heute eine Gedenkkerze an der Kirche an - immer dann, wenn ein Hinterbliebener das so möchte. "Wir nehmen wahr, dass viele Betroffene jetzt erst in der Lage sind, dem Thema Gedenken Aufmerksamkeit zu schenken“, sagt sie. Zuletzt seien Fragen des Wiederaufbaus drängender gewesen. Auf einer interaktiven Karte sammeln sie und Klaus Jansen Orte der Flut - in Social Media bekommen die 49 Opfer damit einen Namen. 

Schieferherzen für Flutopfer

Klaus Jansen hängt ein Schieferherz an einen der Bäume.

Klaus Jansen mit einem der individuell gestalteten Herzen

Das wünschen sich die Angehörigen in Blankenheimerdorf auch. Namen für ihre Liebsten. Sie haben deshalb individuell gestaltete Schieferherzen mit nach Blankenheimerdorf gebracht. Laura Giesas Baum hat jetzt einen Namen: "Wenn ich das so sehe, ist es nicht mehr anonym. Meine Tochter hatte einen Namen, und der steht jetzt hier. Das berührt mich“, erzählt sie den Tränen nahe. 

Ihre Kritik am Gedenkort wollen die Angehörigen Ministerpräsident Wüst nun per Brief übermitteln. Sie hoffen, dass er ihn liest.

Streit um Gedenkstätte in Blankenheimerdorf

00:40 Min. Verfügbar bis 28.09.2024 Von Marius Reichert