Religiöses Mobbing – an unseren Schulen
Aktuelle Stunde . 17.10.2024. 14:28 Min.. UT. Verfügbar bis 17.10.2026. WDR. Von Jakob Rhein.
Religiöse Konflikte an Schulen: "Du bist kein Muslim mehr"
Stand: 17.10.2024, 20:10 Uhr
Welche Rolle spielen religiöse Konflikte an Schulen? Eine noch nicht veröffentlichte Erhebung, die dem WDR exklusiv vorliegt, versucht Licht ins Dunkel zu bringen.
Von Jakob Rhein
Mirac und Cihan stehen im Jugendzentrum InKult in Neuss und spielen Tischkicker. Hier verbringen die zwei Studenten viel Zeit. Die beiden sind Muslime und kennen aus ihrer Schulzeit Situationen, in denen andere muslimische Schüler sie unter Druck gesetzt haben.
Mirac Göl (21) hat in der Schule Einschüchterungsversuche von anderen muslimischen Schülern erlebt.
Zum Beispiel im Fastenmonat Ramadan: "Da kamen dann so Kommentare wie: Wieso fastest du nicht? Du bist doch Muslim. Du musst fasten, das ist deine Pflicht", erzählt Cihan.
Andere hätten gesagt, er sei "kein Muslim mehr", wenn er sich kritisch gegenüber der eigenen Religion äußere. Und auch das Verhältnis zwischen Jungen und Mädchen war schwierig. Wenn Mirac mit einer Gruppe Mädchen unterwegs war, gab es blöde Sprüche von streng gläubigen Mitschülern: "Die haben dann gesagt: Das gehört sich nicht, was machst du da? Komm mal wieder zu dir", sagt Mirac.
Studie zu religiösen Konflikten an Schulen
Dass das keine Einzelfälle sind, zeigt eine noch unveröffentlichte Erhebung der Internationalen Hochschule Hannover, die dem WDR exklusiv vorliegt. Für sie wurden knapp 700 Schulmitarbeiter in Deutschland befragt, darunter Lehrer, Schulpsychologen und Sozialarbeiter.
Mehr als ein Drittel von ihnen berichtet von Spannungen zwischen Schülern aufgrund ihrer Religion. Dabei geht es nicht nur, aber häufig um Auseinandersetzungen rund um den Islam. In der Erhebung wurde ergebnisoffen gefragt, auch in Bezug auf alle Religionen. Dass die Befragten vor allem Konflikte mit dem Islam wahrnehmen, kann verschiedene Gründe haben. Einer davon dürfte auch die momentane gesellschaftliche Stimmung sein.
26 Prozent der Befragten geben in der Erhebung an, schon mal islamistische Einstellungen unter den Schülern wahrgenommen zu haben. Allerdings: Diese Zahlen beruhen nur auf den persönlichen Einschätzungen der Befragten, es sind keine dokumentierten Fälle. Die Erhebung basiert auf wissenschaftlichen Methoden, ist aber nicht repräsentativ für ganz Deutschland.
Islamistische Einstellungen an Schulen
Für Umut Ali Öksüz, Vorsitzender des Neusser Vereins "Interkulturelle Projekthelden" und Extremismusforscher an der Uni Münster , ist klar: Radikale Strömungen im Islam haben mittlerweile einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die Schulen. "Das ist auch so, weil andere Angebote nicht so präsent sind wie die radikalen". Vor allem auf TikTok werde man "bei den radikalen Angeboten schnell fündig", sagt er.
Auf Anfrage des WDR schreibt das Bundesministerium für Bildung und Forschung dazu: "Islamismus darf insbesondere an unseren Schulen keinen Platz haben. Die Schule muss ein sicherer Ort für alle sein."
Umut Ali Öksüz ist Vorsitzender des Vereins "Interkulturellen Projekthelden" in Neuss.
Thomas Jarzombek, CDU-Bundestagsabgeordneter aus Düsseldorf und bildungspolitischer Sprecher der Unionsfraktion, spricht sich im WDR-Interview dafür aus, disziplinarische Maßnahmen gegen radikalisierte Schüler durchzusetzen: "Wir müssen mit aller Kraft und Härte dagegen vorgehen, wenn es solche islamistischen Tendenzen an Schulen gibt."
Umut Ali Öksüz meint: Wird der Islam von einzelnen Schülern sehr radikal ausgelegt, sei das nicht immer verbunden mit religiösen Überzeugungen: "Oft möchten Jugendliche einfach provozieren."
Islamischer Religionsunterricht
Ein Weg, um extremistischen Einflüssen auf Schüler etwas entgegenzusetzen, könnte der islamische Religionsunterricht an Schulen sein. Hier soll sich mit dem Islam auch kritisch auseinandergesetzt werden, ähnlich wie im evangelischen und katholischen Religionsunterricht.
Schulleiter Winfried Grunewald hat erlebt, dass Kinder vom islamischen Religionsunterricht wieder abgemeldet wurden.
In Eschweiler am Städtischen Gymnasium bieten sie den Unterricht an. Am Anfang habe es von einigen muslimischen Eltern Skepsis gegeben, erzählt Schulleiter Winfried Grunewald. Die Sorge sei gewesen, dass ihre Kinder in der Schule nicht das lernen, was sie ihnen beibringen.
Einzelne Eltern hätten ihre Kinder daher wieder abgemeldet, aus Sorge, im Religionsunterricht würde etwas anderes vermittelt werden als zuhause. Doch mittlerweile werde "der Unterricht gut angenommen", sagt Winfried Grunewald.
Unser Quellen:
- Gespräch mit jungen Muslimen im Jugendzentrum InKult in Neuss
- Gespräch mit Extremismusforscher Umut Ali Öksüz
- Gespräch mit Schulleiter Winfried Grunewald
- Nicht-veröffentlichte Studie der Internationalen Hochschule Hannover
- WDR-Interview mit Thomas Jarzombek
- WDR-Anfrage an das Bundesministerium für Bildung und Forschung