Winnetou raus! Warum Ravensburger zwei Bücher aus dem Verkauf nimmt

Stand: 23.08.2022, 20:01 Uhr

Die Firma Ravensburger hat zwei Winnetou-Titel für Kinder und Jugendliche aus dem Programm genommen. Das Vorgehen erntet Kritik, aber auch Zustimmung - worum es bei dem Streit geht.

Von Frank Menke

Am Montag hat die Firma Ravensburger zwei begleitende Kinder- und Jugendbücher zu dem am 11. August gestarteten Film "Der junge Häuptling Winnetou" aus dem Verkauf genommen, ebenso ein entsprechendes Puzzle und ein Stickerbuch.

Reaktion auf negative Rückmeldungen

Ravensburger reagierte damit nach eigener Aussage auf "die vielen negativen Rückmeldungen zu unserem Buch". Das begleitende Buch bietet unter anderem Hintergrundinfos und Fotos von den Dreharbeiten, zudem gibt es eine weitere Ausgabe für Erstleser. Der Film erzählt in Anlehnung an Karl Mays Darstellung des Wilden Westens die Geschichte des jungen Winnetou, der in einer klassischen Abenteuergeschichte seinen Mut beweisen muss.

Bei den Winnetou-Titeln gelangte Ravensburger zu der Überzeugung, dass hier angesichts der geschichtlichen Wirklichkeit und der Unterdrückung der indigenen Bevölkerung ein "romantisierendes Bild mit vielen Klischees" gezeichnet werde - eben ganz im Stile Karl Mays.

Verlag: Keine verharmlosenden Klischees wiederholen

Weiter teilte das Unternehmen mit: "Auch wenn es sich um einen klassischen Erzählstoff handelt, der viele Menschen begeistert hat: Der Stoff ist weit entfernt von dem, wie es der indigenen Bevölkerung tatsächlich erging." Vor diesem Hintergrund wolle man als Verlag keine verharmlosenden Klischees wiederholen und verbreiten, auch wenn man den Grundgedanken der Freundschaft - wie bei Winnetou vorhanden - hoch schätze.

Die Reaktionen fielen sehr unterschiedlich aus. Hunderte Instagram-Nutzer äußerten ihr Unverständnis und bezichtigten die Firma der Zensur oder des Einknickens vor Kritik. Andererseits gab es auch Zuspruch für die Ravensburger-Entscheidung.

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Karl-May-Experte hält Buch für unbedenklich

Kunstpädagogikprofessor Andreas Brenne von der Universität Potsdam hält das Winnetou-Buch für unbedenklich. Brenne arbeitet auch in der Karl-May-Gesellschaft an Programmfragen mit. Schon in einer Vorbemerkung werde klargestellt, dass das Buch als fiktive Geschichte und nicht als sachgerechte Darstellung des Lebens indigener Völker zu verstehen sei.

Er warnte auch davor, den Vorwurf der falschen kulturellen Aneignung unreflektiert zu generalisieren: "Schon das Verkleiden als Indianer gilt dann als rassistischer Akt."

Vehemente Ablehnung und große Zustimmung

Uneins war auch die Jury der Deutschen Film- und Medienbewertung (FBW) der Bundesländer. Sie verlieh dem Film zwar das "Prädikat besonders wertvoll", war in der Gesamtbewertung jedoch "absolut gespalten" und bewegte sich "zwischen vehementer Ablehnung einerseits und großer Zustimmung andererseits".

Eine Mehrheit der Jury befand, es sei allseits bekannt, dass Karl May seine Erzählungen im von ihm so genannten "Indianerland" und auch im "Orient" aus seiner Fantasie geschrieben habe und selbst nie vor Ort der von ihm erdachten Abenteuer gewesen sei. Man könne ihn daher ruhigen Gewissens als "Märchenonkel" bezeichnen.

Andere Jury-Mitglieder kamen zu dem Urteil, Karl Mays literarische Idylle im Herkunftsland der indigenen Völker Nordamerikas sei eine Lüge, die den Genozid an den Ureinwohnern Amerikas und das ihnen zugefügte Unrecht der Landnahme der weißen Siedler und der Zerstörung ihres natürlichen Lebensraumes vollkommen ausblenden würde.

Es habe nichts mit der echten Kultur der Indigenen Völker zu tun, sagt Lauli in ihrem TikTok Post. "Lernt unsere wahre Kultur kennen und unsere wahre Geschichte", erklärt sie. Sie sei die "Stereotypen so satt, dass wir mit Tieren reden können", sie sei den "Serientyp Winnetou so sehr satt". Laulis Appell: "Lasst indigene Menschen reden, und zwar jetzt."

Und so kam der Ravensburger Verlag zu dem Schluss, mit den Buchveröffentlichungen "einen Fehler gemacht" und die "Gefühle anderer verletzt" zu haben. Der Film läuft im Kino aber weiterhin.

Karl-May-Festspiele gehen weiter

Auch in Elspe im Sauerland gehen die Karl-May-Festspiele, die vor einigen Wochen begonnen haben, weiter über die Bühne. Seit den 1950er Jahren hat sich an der Darstellung Winnetous nichts geändert, angelehnt an die Vorlage von Karl May. Der Geschäftsführer Philipp Aßhoff kann daran nichts Anstößiges finden. "Die Geschichte um den Häuptling Winnetou ist ein Märchen - wie Hänsel und Gretel." Mehr als ein fiktiver Charakter, den Karl May erschaffen hat, sei Winnetou nicht. Und daher könne er die Kritik, dass die Winnetou-Darstellung rassistisch sei, nicht nachvollziehen.

Über dieses Thema berichteten wir im WDR am 22.08.2022 und am 23.08.2022 auch im Fernsehen: Aktuelle Stunde, 18.45 Uhr.