Debatte nach Rammstein-Vorwürfen: Wie Awareness schaffen und sich schützen?
Stand: 06.06.2023, 20:40 Uhr
Hat er junge Frauen bei Aftershow-Partys gegen deren Willen zu sexuellen Handlungen genötigt? Die Vorwürfe, die gegen Rammstein-Frontmann Till Lindemann erhoben werden, sind schwerwiegend. Zu solchen unliebsamen Situationen kann es auch im Nachtleben kommen. Was Betroffene tun können.
Bewiesen ist nichts. Doch die Vorwürfe stehen im Raum: Rammstein-Frontmann Till Lindemann soll junge Frauen in Situationen gebracht haben, die sie als beängstigend empfanden. Sie seien während Konzerten ausgewählt und gefragt worden, ob sie zur Aftershowparty kommen wollen. Dabei soll es nach Schilderungen einiger Frauen auch zu sexuellen Handlungen gekommen sein. Von den Betroffenen offenbar weder geplant noch unbedingt gewollt.
Die Vorwürfe gegen Till Lindemann sind noch nicht aufgeklärt und beschreiben Situationen nach verschiedenen Rammstein- und Lindemann-Konzerten. Ihnen gemeinsam ist die Beschreibung eines gewissen Machtverhältnisses.
"Dunkelziffer an sexualisierter Gewalt ist hoch"
Solche Strukturen zeigen sich auch anderswo. Laut Alexandra Vogel von der Initiative Awareness kommt es bei Konzerten und Festivals immer wieder zu sexuellen Übergriffen auf Frauen seitens jener, "die Macht haben". Im Nachtleben im Allgemeinen sei "die Dunkelziffer an sexualisierter Gewalt hoch“, sagt Vogel dem WDR. Dies liege nicht zuletzt daran, dass durch Alkohol und andere Drogen die Scham bei den Betroffenen, Hilfe zu holen, erhöht ist. Hinzu komme das Problem, "dass gesellschaftlich geurteilt und dabei Betroffenen selbst die Schuld gegeben wird“, so Vogel. Auch deshalb schwiegen viele Betroffene aus Scham.
Achtsam gegenüber sich selbst sein
K.o.-Tropfen sind dabei ein weiteres Problem. Dabei kippen Täter unbemerkt eine Art Betäubungsmittel in den Drink, um die Opfer willenlos zu machen – und dann entweder Macht auszuüben oder sexuelle Übergriffe zu begehen. Schützen können sich Konzertbesucherinnen und Partygängerinnen dagegen und gegen die besonders perfide Form des Needle Spiking (hierbei werden die K.o.-Tropfen unbemerkt per Spritze verabreicht) nur schwerlich. Aber in anderen Situationen könnte es laut Alexandra Vogel helfen, achtsamer gegenüber sich selbst zu sein.
Wer in Bedrängnis gerät, sollte sich fragen: Was sind gerade meine eigenen Bedürfnisse, meine Erfahrungen? "Das sollten junge Frauen ernstnehmen und sich fragen: Wie fühlt es sich gerade an", rät Vogel. Wenn man sich unwohl fühlt: Was könnte man als nächstes tun? Vielleicht eine vertraute Person hinzuziehen oder aber anderweitig Unterstützung suchen? Bei Konzerten gibt es Awareness-Stationen (das englische Wort awareness heißt übersetzt soviel wie Bewusstsein, Achtsamkeit), deren Mitglieder helfen und Lösungsmöglichkeiten aufzeigen. "Diese Strukturen gibt es, aber nur vereinzelt. Es sollten deutlich mehr werden und zur Normalität werden auf Veranstaltungen", fordert Vogel.
Bundesweites Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" hilft weiter
Wenn Konzertbesucherinnen Opfer eines Übergriffs geworden sind, können sie sich Rat und Unterstützung über ein bundesweites Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" unter der Nummer 116 016 holen. Dort erhalten Betroffene erste Unterstützung und werden im Anschluss an lokale Beratungsstellen weitergeleitet. Alexandra Vogel ermuntert junge Frauen dazu, in einer Situation, die sich komisch anfühlt, in sich zu gehen. "Es kommt darauf an anzuerkennen, dass die eigenen Gefühle in der Situation richtig sind. Und darauf zu hören und sich nichts anderes vorzumachen."