Ein Kind hält seine Hände hoch, auf denen Stop steht

US-Kleinstadt führt Prügelstrafe wieder ein

Stand: 31.08.2022, 16:55 Uhr

In Cassville, einer Kleinstadt in den USA, ist die Prügelstrafe für Schulkinder wieder erlaubt. Mit einem Holzpaddel dürfen Lehrkräfte die Schulkinder bis zu dreimal auf das Gesäß schlagen.

Von Katharina Wallrafen

Eigentlich war die Prügelstrafe in Cassville längst verboten. 2001 schaffte die US-Kleinstadt im Staat Missouri die Prügelstrafe in Schulen ab - und hat sie nun wieder eingeführt. Angeblich auf den Wunsch von Eltern, die das als Alternative zum Schulverweis gefordert haben. Final entschieden wurde die Wiedereinführung der Prügelstrafe dann von den Behörden.

Bitte ankreuzen: Darf Ihr Kind geschlagen werden?

Voraussetzung in Cassville ist, dass die Eltern vorab grundsätzlich ihr Einverständnis zur Prügelstrafe geben. Deswegen werden die Eltern nun per Formular gefragt: Darf Ihr Kind geschlagen werden? Betroffen sind bis zu 1.900 Schülerinnen und Schüler, die in Cassville zur Schule gehen. Jüngere Kinder sollen ein bis zwei Schläge mit dem Holzpaddel erhalten, ältere Schüler bis zu drei. Ohrfeigen oder Schläge auf den Kopf seien nicht erlaubt.

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Prügelstrafe kein Einzelfall

Insgesamt ist in 19 der 50 Bundestaaten die körperliche Züchtigung an öffentlichen Schulen immer noch erlaubt. Für Privatschulen gelten andere Regeln. Da ist die Prügelstrafe in fast allen Bundesstaaten erlaubt.

Der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten, der Supreme Court, hat 1977 entschieden, dass die körperliche Bestrafung mit der Verfassung übereinstimmt. Die Entscheidung der Umsetzung wurde aber den einzelnen Bundestaaten überlassen. In Cassville, im Staat Missouri, konnte die Strafe jetzt also ohne Probleme wieder erlaubt werden.

Die Reaktionen? Zwischen Aufschrei und Danksagung

"Das Thema hat für Schlagzeilen gesorgt - im ganzen Land!" sagt Katrin Brand aus dem ARD-Studio in Washington. Auf den Social-Medial-Kanälen habe es einen Aufschrei über die aktuelle Entscheidung gegeben. In Cassville selbst war es aber wohl anders: "Laut Schulbehörde haben sich die Eltern tatsächlich bedankt, dass die Prügelstrafe jetzt wieder eingeführt wird."

Die Schülerinnen und Schüler der High-School vor Ort wollen aber dagegen demonstrieren. Denn sie sagen, dass es nicht zu dem passt, was die Schule sonst beibringt und vertritt: Dass jede Art von Körperkontakt die Zustimmung aller Beteiligten brauche.

"In der öffentlichen Diskussion weisen Experten darauf hin, dass Züchtigung nicht dazu beiträgt, die Disziplin in einer Schule zu verbessern. Aber im Gegenteil viele negative Folgen hat", so Katrin Brand aus Washington. 

Das bestätigen offizielle Studien: Die American Academy of Pediatrics und die American Psychological Association haben davor gewarnt, dass körperliche Bestrafungen schulische und emotionale Probleme auslösen könne. Eine Studie vom Journal of family psycholgy hat ergeben, dass so das Risiko von Aggression und antisozialem Verhalten erhöht werden kann. Also vereinfacht gesagt: Gewalt erzeugt Gegengewalt.

Ist das denn auch bei uns möglich?

In Deutschland ist die Prügelstrafe in Schulen seit 1973 verboten, auch wenn sich nicht direkt alle Lehrerinnen und Lehrer gleich streng daran hielten. Bayern brauchte etwas länger und hat als letztes Bundesland in Deutschland die Prügelstrafe verboten: Im Jahr 1983.

Eltern durften ihre Kinder aber weiterhin schlagen. 1998 wurden im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) körperliche und seelische Misshandlungen für unzulässig erklärt. Und im Jahr 2000 verankerte der Deutsche Bundestag mit großer Mehrheit ausdrücklich das Recht auf Gewaltfreiheit. Das ist im BGB geregelt, in Paragraf 1631 steht: "Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig."

Sozialdienste die bessere Alternative?

"Zutiefst unmenschlich" findet Heinz-Peter Meidinger, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, die Prügelstrafe. Sie sei ein massiver Verstoß gegen die Menschenwürde. Was wären denn Maßnahmen, die helfen, wenn Kinder im Unterricht massiv stören? Es gehe nicht um das Bestrafen an sich, sagt Meidinger. Man solle den Schülerinnen und Schülern vielmehr zeigen, dass sie Verantwortung für das eigene Fehlverhalten übernehmen müssten. Das könne durch Sozialdienste umgesetzt werden: Kaugummis unter den Tischen entfernen zum Beispiel oder Gemeinschaftsdienste in der Schule übernehmen.

Meidinger sagt weiter: "Völlig auf Sanktionen verzichten, das halte ich für unpädagogisch. Weil Kinder und Jugendliche sonst nicht lernen, dass man im späteren Leben jedenfalls fast immer für die Konsequenzen des eigenen Fehlverhaltens gerade stehen muss."

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