Es ist ein eindrückliches Bild, wenn Landwirte im Berliner Regierungsviertel mit schwerem Gerät vorfahren. Der Deutsche Bauernverband hatte zu einer Demo gegen die von der Ampel geplante Streichung von Steuervergünstigungen für Landwirte aufgerufen - Tausende Bauern kamen. Sie sind mit mehr als 1.500 Traktoren zur Kundgebung am Brandenburger Tor vorgefahren.
Die Bauern protestierten am Montag so gegen Pläne der Ampel, Subventionen für Agrardiesel und KfZ-Steuervergünstigungen für landwirtschaftliche Fahrzeuge zu streichen. Denn diese Pläne verstehen die Bauern als Kampfansage gegen sie.
Der Bauernpräsident erklärte, mit dem Wegfall der Regelungen würde die Branche pro Jahr mit einer Milliarde Euro zusätzlich belastet. Sollte die Ampel ihre Pläne nicht zurücknehmen, kündigte Bauernpräsident Joachim Rukwied "einen sehr heißen Januar" an.
Auch aus Nordrhein-Westfalen waren Bauern nach Berlin gereist. Michael Loitz hat einen Milchviehbetrieb in Halver im Märkischen Kreis. 1.400 Euro Mehrkosten habe er pro Monat, wenn die Pläne der Ampel wahr werden.
Dutzende Landwirte aus NRW bei Demo in Berlin
Eine Delegation von 50 Landwirten aus dem Rheinland hatte sich Sonntagmittag gemeinsam auf dem Weg nach Berlin gemacht, um an den Protesten teilzunehmen. Weitere Bauern wollten in Eigeninitiative anreisen, sagte eine Sprecherin des Rheinischen Landwirtschafts-Verbandes dem WDR. "Viele sind enttäuscht von der Bundesregierung", sagte sie.
Bauern blockierten die A2
Aber auf der Autobahnen wurde am Montag protestiert. Am Morgen blockierten Landwirte die A2 Dortmund Richtung Hannover zwischen Rehren und Lauenau - das ist in Niedersachsen kurz hinter der Grenze zu NRW. Es kam zu einem acht Kilometer langen Stau. Am Abend kam es zu weiteren Protesten auf NRW-Autobahnen.
NRW-Landwirtschaftsministerin: "Plänen nicht zuzustimmen"
NRW-Landwirtschaftsministerin Silke Gorißen (CDU) hat im Streit um das angekündigte Aus für Steuervergünstigungen von Landwirten an die Bundestagsabgeordneten aus Nordrhein-Westfalen appelliert, den Plänen nicht zuzustimmen. "Die angekündigten Streichungen der Steuerrückerstattung für den Agrardiesel und der Befreiung von der Kfz-Steuer ab 2024 sind ein Tiefschlag für unsere Landwirtinnen und Landwirte", schrieb sie laut Staatskanzlei in einem Brief an die Abgeordneten.
Die Bundesregierung produziere mit dieser Entscheidung weitere Nachteile für die Betriebe im internationalen Wettbewerb. Einen typischen landwirtschaftlichen Familienbetrieb im Vollerwerb träfe allein die Streichung der Steuerrückvergütung beim Agrardiesel nach ersten Schätzungen je nach Betriebsform mit Mehrkosten jährlich von rund zweitausend bis viertausend Euro pro Betrieb, hieß es in einer Montag veröffentlichten Mitteilung des Ministeriums. Hinzu kämen die Belastungen durch die geplante Streichung der Steuerbefreiung für land- und forstwirtschaftlich genutzte Fahrzeuge. Auch Gartenbaubetriebe seien von den Plänen betroffen.
Bauernpräsident sieht Zukunft der Landwirtschaft gefährdet
Die Bundesregierung muss nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts Milliardenlöcher im Bundeshaushalt für 2024 sowie im Klima- und Transformationsfonds stopfen. Dazu gehören auch Kürzungspläne im Agrarbereich.
Bauernverband-Präsident Joachim Rukwied hatte die Ampel-Koalition am Freitag aufgefordert, die Pläne zurückzuziehen. Ansonsten habe die Landwirtschaft keine Zukunft.
Schon am Wochenende hatte es auch in NRW Proteste von Landwirten gegeben. Am Samstag waren zwei Dutzend Lkw und Traktoren durch Euskirchen gerollt, auch für Sonntagnachmittag hatte die Polizei vor Verkehrsbeeinträchtigungen durch Traktorfahrten in den Bereichen Mechernich, Bad Münstereifel und Euskirchen gewarnt. Grund dafür seien "hell erleuchtete Traktoren, die im Korso gemäß dem eigenen Motto ‚Einen Funken Hoffnung‘ überbringen wollen." Am Freitagabend war ein Konvoi mit rund 100 beleuchteten Traktoren durch Lindlar gerollt.
Lindner zeigt sich offen für Alternativen
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) zeigt sich offen für Alternativen zur anvisierten Streichung von Steuervergünstigungen für Landwirte. Die Bedenken, die Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) am Donnerstag verkündet hat, müsse man "natürlich" ernst nehmen, sagte Lindner am Sonntag im "Bericht aus Berlin" im Ersten. Kritik kam außerdem aus der Union.
Lindner erklärte, dass es bei der Streichung der Agrardiesel-Subventionen um eine "Gegenfinanzierung" der Stromsteuer-Entlastung für das produzierende Gewerbe gehe, "übrigens auch für Land und Forstwirtschaft". Auf diese Weise wolle man "sogenannte klimaschädliche Subventionen" zurückfahren.
Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) verteidigte die Ampel-Pläne im Agrarbereich. "Der Bundeskanzler, der Finanzminister und ich haben die Entscheidung zur Agrardiesel-Beihilfe im Sinne einer Gesamtlösung treffen müssen", sagte Habeck der Deutschen Presse-Agentur. "Das war nicht leicht, und auch ich weiß um die Härten." Er könne aber verstehen, dass sein Parteifreund Özdemir als Landwirtschaftsminister "die Lage der Bauern und die Belastung" im Blick hat.
Unsere Quellen:
- Pressemitteilung Deutscher Bauernverband
- Sprecher des Deutschen Bauernverbandes gegenüber dem WDR
- Sprecherin des Rheinischen Landwirtschaftsverbandes gegenüber dem WDR
- Nachrichtenagentur dpa
- Bundesfinanzminister Christian Lindner im "Bericht aus Berlin"