Polizeipräsidien ohne Präsident

Westpol 01.10.2023 UT DGS Verfügbar bis 01.10.2028 WDR

Reul und seine Polizeipräsidenten: Immer mehr Präsidien ohne Führung

Stand: 01.10.2023, 20:11 Uhr

Der Aachener Polizeipräsident Dirk Weinspach ist im Ruhestand, ein Nachfolger ist nicht in Sicht. NRW-weit haben bald sechs Großstädte keinen Polizeipräsidenten mehr. Teils sind Stellen seit über einem Jahr unbesetzt.

Von Moritz Börner und Bernd Neuhaus

Der Aachener Polizeipräsident Dirk Weinspach war rund um die Einsätze im Hambacher Forst und in Lützerath einer breiteren Öffentlichkeit bekannt geworden. Sein Beispiel zeigt, wie wichtig das Amt des Polizeipräsidenten ist. Weinspach hat den Dialog mit den Bürgern gesucht, zum Beispiel an einer Gesprächsrunde mit Klimaaktivisten teilgenommen, war bei Großeinsätzen vor Ort. Beobachter sagen, sein besonnenes Vorgehen habe dazu beigetragen, dass die Räumung von Lützerath schnell und weitgehend ohne heftige Auseinandersetzungen abgelaufen sei.

Ein Drittel der NRW-Polizeipräsidien bald ohne Führung

Wer Weinspachs Nachfolger auf dem seit Anfang Oktober vakanten Posten des Aachener Polizeipräsidenten wird, ist völlig unklar. Denn einen Nachfolger hat Innenminister Herbert Reul (CDU), der für die Ernennung zuständig ist, noch nicht präsentiert. Aachen ist keine Ausnahme: In Oberhausen ist der Job des Polizeipräsidenten seit anderthalb Jahren unbesetzt, in Gelsenkirchen seit einem Jahr und in Düsseldorf seit Anfang des Jahres. Dazu kommt, dass in Köln der Polizeipräsident im November geht, in Mönchengladbach im Dezember. 

In allen Fällen steht eine Nachfolgerin oder ein Nachfolger noch nicht fest, sechs von 18 Polizeipräsidien in NRW sind damit bald ohne Führung. Innenminister Reul sagt, er wolle sich Zeit lassen. "Das ist ein ganz ganz wichtiger Job, und weil er so bedeutsam ist, behalte ich mir vor, die Entscheidung sehr sorgfältig und gründlich zu prüfen, und mache das nicht aus dem Ärmel."

"Das ist wirklich fahrlässig"

Doch das zögerliche Vorgehen des Innenministers stößt auf Kritik. "Es gibt viele Herausforderungen in Düsseldorf, das ist wirklich fahrlässig", sagt zum Beispiel die Bundestagsabgeordnete und Düsseldorfer FDP-Kreisvorsitzende Marie-Agnes Strack-Zimmermann. In der Landeshauptstadt hatte es zuletzt unter anderem immer wieder Probleme mit Gewalt in der Altstadt gegeben. Das sieht auch ihr Parteikollege Marc Lürbke aus dem NRW-Landtag so: "Die Polizeipräsidenten sind nach außen als Gesicht der Behörde wichtig, und nach innen, um innerhalb der Behörde Prozesse zu kontrollieren"

Keine Bewerber mit dem richtigen Parteibuch? 

"Ich nehme an, dass Herr Reul einen CDU-Mann sucht oder eine CDU-Frau", sagt Strack-Zimmermann, "aber ich glaube, dass so eine Aufgabe nichts mit dem Parteibuch zu tun hat, sondern mit der Fähigkeit, eine Behörde zu führen." Der Innenminister bestreitet hingegen, dass die Parteizugehörigkeit der Kandidaten eine Rolle spielt.

Auch Sebastian Fiedler, SPD-Bundestagsabgeordneter und ehemaliger Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter hält die Entwicklung für bedenklich. Er glaubt, dass der Job des Polizeipräsidenten einfach finanziell nicht attraktiv genug ist, das mache die Suche so schwer. "Im Vergleich wird diese Stelle schlechter bezahlt als zum Beispiel Spitzenkräfte bei kommunalen Behörden", so Fiedler. Tatsächlich sind Polizeipräsidentinnen und -präsidenten immer wieder auf Posten bei den Kommunen gewechselt. Zum Beispiel die ehemalige Gelsenkirchener Polizeipräsidentin Britta Zur: Sie wechselte zur Stadt Düsseldorf auf einen besser bezahlten Posten als Beigeordnete.

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Sollen Polizeipräsidenten politische Beamte sein? 

Reul begründet sein abwartendes Vorgehen auch damit, dass vor dem Bundesverfassungsgericht ein Verfahren läuft, bei dem es um die Frage geht, ob Polizeipräsidenten politische Beamte sein sollen oder nicht. Bisher sind sie das, darum darf der Innenminister Polizeipräsidenten auch nach eigenem Ermessen entlassen. Das Oberverwaltungsgericht Münster hat Zweifel an der Regelung, weil sie gegen das Beamtenrecht verstoßen könnte. Jetzt soll das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Andere Bundesländer, zum Beispiel Niedersachsen, haben politische Beamte an der Spitze von Polzeibehörden inzwischen abgeschafft.

Sicherheitsrisiko Fußball-EM

Wann die Richter in Karlsruhe aber ihr Votum über die Führung von Polizeipräsidien abgeben, steht in den Sternen. Will Reul wirklich dieses Urteil abwarten, dann könnte es eng werden. Denn im kommenden Jahr findet die Fußball-Europameisterschaft statt. Ausrichter sind auch die drei Städte Gelsenkirchen, Düsseldorf und Köln. Hunderttausende Fans werden zur EM erwartet, auch gewaltbereite Hooligans. Und alle drei Städte haben demnächst keinen Polizeipräsidenten mehr.

Kritiker sagen, für die Planung eines solchen Events sei ein Polizeipräsident unerlässlich, und so steht Innenminister Reul unter Druck. Wann er eine Entscheidung fällen wird, das lässt er aber offen, verspricht nur: "Bis zur EM werden diese Posten besetzt sein."

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