Nach dem traurigen Fund der Leiche der zwölfjährigen Luise aus Freudenberg bei Siegen kommt nur zwei Tage später die nächste schockierende Nachricht: Zwei Mädchen im Alter von 12 und 13 Jahren sollen das Kind erstochen haben. Hier die Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Was wissen die Ermittler inzwischen?
Auf einer Pressekonferenz wurden Details bekanntgegeben
Auf einer Pressekonferenz haben Polizei und Staatsanwaltschaft am Dienstag die neusten Erkenntnisse präsentiert. So sollen die beiden Mädchen Luise mit "zahlreichen Messerstichen" getötet haben, sagte Oberstaatsanwalt Mario Mannweiler. Die Obduktion habe ergeben, dass die Schülerin an dem Blutverlust gestorben sei, den sie durch die vielen Messerstiche erlitten habe.
Eigenen Angaben zufolge kamen die Ermittler den beiden Verdächtigen durch Widersprüche in ihren Aussagen auf die Spur. Es sei üblich, im Rahmen einer Vermisstensuche auch Freunde und Bekannte zu befragen. "Mehr und mehr eingehende Hinweise aus der Bevölkerung standen jedoch im Widerspruch zu den Ergebnissen, die wir aus der Befragung der Kinder hatten", sagte Florian Locker von der Polizei Koblenz. Bei einer nochmaligen Anhörung im Beisein von Erziehungsberechtigten und Psychologen seien sie am Montag mit den Widersprüchen konfrontiert worden und hätten die Tat schließlich gestanden.
Was ist über die beiden tatverdächtigen Mädchen bekannt?
Nach Angaben der Ermittler sollen die beiden aus dem Bekanntenkreis von Luise stammen. Ob es sich um Schulkameradinnen oder familiäre Angehörige handelt, ist aber nicht bekannt. Im Vorfeld sollen sie den Behörden nicht aufgefallen sein. Nähere Angaben zum Tathergang sowie zum Verhalten vor und nach der Tat machten die Ermittler am Dienstag nicht. "Ich kann leider aus Gründen des Jugendschutzes bestimmte Informationen nicht weitergeben, auch wenn ich weiß, dass sich die Medien und die Öffentlichkeit sehr dafür interessieren", sagte Oberstaatsanwalt Mannweiler.
Auch zum konkreten Motiv schwiegen die Ermittler. Das Thema sei jedoch komplex, das Motiv müsse am Alter der Verdächtigen gemessen werden. "Was für ein Kind ein mögliches Motiv wäre, würde sich Erwachsenen völlig verschließen", sagte Mannweiler. Es hieß lediglich, dass vermutlich "irgendwelche Emotionen" eine Rolle gespielt hätten.
Was passiert nun mit den beiden Mädchen?
Nach Angaben des Kreises Sieges-Wittgenstein sind die Mädchen in der Obhut des Jugendamts und außerhalb ihres häuslichen Umfeldes untergebracht. Das heißt auch, dass sie nicht ihre bisherigen Schulen besuchen. Zu ihren Familien haben sie weiter Kontakt. Das sei aufgrund des jungen Alters der Mädchen wichtig, um gemeinsam eine gelingende Unterstützung zu entwickeln. Im nächsten Schritt sollen die Geschehnisse mit den Beteiligten aufgearbeitet werden. Das Kreisjugendamt hat außerdem der Familie der getöteten Luise Hilfe angeboten, sobald diese das wünscht.
Strafrechtlich wird der Tod von Luise wohl keine Folgen haben. Kinder sind grundsätzlich nämlich nicht strafmündig - selbst bei einem so schlimmen Verbrechen wie Mord oder Totschlag. Im Strafgesetzbuch steht:
Die Polizei ermittelt trotzdem - etwa um zu klären, was genau passiert ist und ob möglicherweise ältere, strafmündige Menschen an der Tat beteiligt waren. Dazu darf ein Kind zur Dienststelle der Polizei mitgenommen und befragt werden. Auch eine Durchsuchung ist möglich.
Wo ereignete sich die Tat?
Die zwölfjährige Luise war am Samstagabend vom Haus einer Freundin in Freudenberg-Hohenhain aufgebrochen, aber nicht zu Hause in Freudenberg angekommen. Nachdem die Eltern erst selbst ohne Erfolg gesucht hatten, schalteten sie die Polizei ein. Zusammen mit der Feuerwehr suchten sie seit Samstagabend mit vielen Kräften nach dem Kind.
Der Tatort ist von der Polizei noch abgesperrt
Am Sonntagmittag entdeckten Polizisten dann einen weiblichen Leichnam in einem nahegelegenen Waldstück auf rheinland-pfälzischem Gebiet. Die Ermittler gehen davon aus, dass die Zwölfjährige auch dort getötet wurde. Der Fundort liegt jedoch nicht auf dem unmittelbaren Heimweg, sondern in der entgegengesetzten Richtung. Was die drei Mädchen dorthin geführt hat, dazu sagen die Ermittler nichts. In dem Waldgebiet wird nun noch nach weiteren Beweismitteln gesucht, darunter auch nach der Tatwaffe.
Weil der Wohnort der beiden Verdächtigen anders als der Fundort der Leiche in NRW liegt, kündigte die Staatsanwaltschaft Koblenz an, den Vorgang an die Staatsanwaltschaft Siegen übergeben zu wollen.
Wie sind die Reaktionen auf die Tat?
In der evangelischen Kirche Freudenberg gibt es ein Kondolenzbuch
Die Ermittler zeigten sich am Dienstag erschüttert. "Nach 40 Jahren im Polizeidienst gibt es immer noch Ereignisse, die uns sprachlos machen", sagte der Koblenzer Polizeivizepräsident Jürgen Süs. Auch Staatsanwalt Mannweiler zeigte sich bewegt. "Die Tat an sich ist sehr außergewöhnlich und erschütternd für uns." In der evangelischen Kirche Freudenberg wurde ein Kondolenzbuch ausgelegt. Auf einer Seite steht: "Fassungslos - sprachlos - hilflos".
NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst reagierte ebenfalls bestürzt. "Es ist unvorstellbar und kaum auszuhalten, dass Kinder zu solchen Taten fähig sein sollen", sagte er. Die Tat sei ein "zutiefst verstörender Höhepunkt der Gewalt von Minderjährigen".
Auch der Landrat des Kreises Siegen-Wittgenstein, Andreas Müller, sprach den Eltern der getöteten Luise sein tief empfundenes Mitgefühl aus: "Die grausame Tat hat uns alle schockiert und ich kann den Eltern nur meine herzliche Anteilnahme versichern. Ganz Siegen-Wittgenstein trauert mit Ihnen. Es gibt keine Worte, die beschreiben können, wie groß der Verlust ist, den sie erlitten haben. Der Schmerz der Eltern ist kaum nachzuempfinden. Ich hoffe, dass Sie inmitten dieser Dunkelheit Trost und Unterstützung finden, sei es durch Freunde, Angehörige oder professionellen Beistand."
Wie oft kommt es zu Gewalttaten durch Kinder?
Dass Kinder unter 14 Jahren Gewalttaten wie schwere Körperverletzung, sexuellen Missbrauch, Totschlag oder Mord begehen, kommt eher selten vor. Laut Polizeilicher Kriminalstatistik des BKA ist 2021 die Zahl der tatverdächtigen Kinder in diesem Bereich zwar gegenüber dem Vorjahr bundesweit gestiegen (7.477 zu 7.103). Verglichen mit 2019 gab es jedoch einen Rückgang um rund zehn Prozent.
Bei den Delikten gegen das Leben sind die absoluten Zahlen sehr niedrig: 2021 gab es in diesem Bereich bundesweit 19 tatverdächtige Kinder, darunter vier Mädchen. Die Zahlen schwanken jedoch von Jahr zu Jahr stark, in den vergangenen 20 Jahren lagen sie jährlich zwischen vier und 21 Tatverdächtigen. Zur Einordnung: Laut Statistischem Bundesamt lebten in diesem Jahr rund 8,5 Millionen Kinder unter 14 Jahren in Deutschland.
Über dieses Thema berichten wir im WDR am 14.03.2023 auch im Fernsehen - Aktuelle Stunde, Lokalzeit Südwestfalen - und in verschiedenen Hörfunksendungen.